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Quelle:
mz-web.de
Sachsen-Anhalt
Land entmachtet Sportbund endgültig
VON HENDRIK KRANERT-RYDZY
Andreas Silbersack, Präsident des Landessportbundes Sachsen-Anhalt
(ARCHIVFOTO: LÖFFLER)
MAGDEBURG/MZ. Holger Stahlknecht (CDU) lässt es an
Deutlichkeit nicht fehlen: In der Rolle eines "Beraters der Landespolitik" und
als "Verwaltungshelfer" sieht der Innen- und Sportminister den Landessportbund
(LSB) Sachsen-Anhalt künftig. Als Umverteilungsstation für über 20 Millionen
Euro Fördermittel für Sportvereine, Fachverbände und Kreissportbünde betrachtet
Stahlknecht den LSB jedoch nicht mehr. "Ich sehe nicht die Aufgabe des LSB
darin, der große Geldverteiler zu sein und festzulegen, wohin Fördermittel
fließen."
Weniger Bürokratie
Mit seinem am Dienstag vorgestellten, neuen Sportfördergesetz will Stahlknecht
die Fördermittelvergabe vereinfachen, entbürokratisieren und anreizfreundlicher
gestalten. Und ausreichen soll die Fördermittel - knapp sieben Millionen von
Toto-Lotto und 14 Millionen aus dem Landeshaushalt - auch weiterhin die
Investitionsbank oder das Landesverwaltungsamt. Das ist das Gegenteil von dem,
was dem LSB nach dessen Finanzskandalen, die im Jahr 2008 öffentlich wurden, von
Teilen der Landespolitik versprochen wurde. Vor allem Sportpolitiker der CDU und
Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hatten sich dafür ausgesprochen, dem
LSB nach dessen Konsolidierung und Neustrukturierung wieder die Hoheit über die
Fördermittelverwaltung zu geben.
"Die Erfahrungen der Vergangenheit haben eine Rolle gespielt", dass es nun doch
nicht so komme, so Stahlknecht. Dies sei auch mit den Koalitionsfraktionen
besprochen. Er ließ durchblicken, dass die Geldverteilungspolitik des LSB nicht
immer nach objektiven Kriterien erfolgt sei, sondern vielfach nach dem Credo,
dass der, der am meisten klagt, auch das meiste bekam. "Geld kann auch
anstrengend sein", philosophierte Stahlknecht. Objektiv aber soll das Geld
künftig verteilt werden - und in Eigenverantwortung der Vereine. Derzeit lässt
Stahlknecht einen Kriterienkatalog erarbeiten. Während noch offen ist, wann er
fertig wird, scheint klar, welche Kriterien Stahlknecht künftig besonders
wichtig sind: Die Zahl der Vereinsmitglieder, den Organisationsgrad des Vereins
und dessen Konzepte zur Förderung des Leistungssports. "Das Geld soll da
ankommen, wo es wirklich benötigt wird", so Stahlknecht. Ab Januar 2013 sollen
die neuen Regelungen gelten.
Sportbund-Chef empört
LSB-Präsident Andreas Silbersack reagierte am Dienstag überrascht auf die
Ankündigungen des Sportministers, er habe den Entwurf des Sportfördergesetzes
bisher anders gelesen. "Die Pläne des Ministers konterkarieren unser
Grundverständnis von der Autonomie des Sports und entsprechen nicht unserem
Ansinnen", so Silbersack.
Er gehe davon aus, dass auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als
Dachverband "nicht erfreut über die Entscheidung sein wird". DOSB-Präsident
Thomas Bach hatte einst in einem Brief an Böhmer nachdrücklich verlangt, dass
der LSB die Zuständigkeit für die Fördermittelvergabe und der Sport im Land
seine Autonomie zurück erhält.
Kommentar: Vertrauen fehlt
Christian Elsaeßer (FOTO: MZ)
Es ist ein sportpolitischer Paukenschlag: Innenminister Holger Stahlknecht
erteilt dem Landessportbund eine klare Absage, künftig wieder selbst über die
Mittel für die Sportförderung in Sachsen-Anhalt entscheiden zu können.
Zugegeben: Für die Sportstrukturen des Landes sind die Folgen überschaubar,
letztlich bleibt ja nur die bereits geltende Praxis erhalten. Die eigentlich
spannende Frage aber ist, welchen Anlass Stahlknecht hat, die Gräben zwischen
Sport und Politik erneut so tief aufzureißen.
Klare Begründungen fehlen, doch lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass
die Politik unverändert an der Integrität und Objektivität des Landessportbundes
zweifelt. Selbst wer die Mittel künftig ausreichen soll, ist noch offen.
Im Grunde spricht all das eine klare Sprache. Das Vorgehen des Innenministers
lässt erahnen, dass zwischen Politik und LSB nach wie ein großes
Vertrauensdefizit herrscht. Ob das in der Sache gerechtfertigt ist, sei
dahingestellt, eine Ohrfeige für den Landessportbund aber ist es allemal. Neben
der juristischen Aufarbeitung des Skandals war die Vertrauensgewinnung die
wichtigste Aufgabe für die LSB-Führung. Dieses Ziel ist offenbar verfehlt.
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