SGS aktuell 2012

30.04.12


Quelle: mz-web.de

Sachsen-Anhalt
Land entmachtet Sportbund endgültig
VON HENDRIK KRANERT-RYDZY
Andreas Silbersack
Andreas Silbersack, Präsident des Landessportbundes Sachsen-Anhalt (ARCHIVFOTO: LÖFFLER)

MAGDEBURG/MZ. Holger Stahlknecht (CDU) lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen: In der Rolle eines "Beraters der Landespolitik" und als "Verwaltungshelfer" sieht der Innen- und Sportminister den Landessportbund (LSB) Sachsen-Anhalt künftig. Als Umverteilungsstation für über 20 Millionen Euro Fördermittel für Sportvereine, Fachverbände und Kreissportbünde betrachtet Stahlknecht den LSB jedoch nicht mehr. "Ich sehe nicht die Aufgabe des LSB darin, der große Geldverteiler zu sein und festzulegen, wohin Fördermittel fließen."

Weniger Bürokratie
Mit seinem am Dienstag vorgestellten, neuen Sportfördergesetz will Stahlknecht die Fördermittelvergabe vereinfachen, entbürokratisieren und anreizfreundlicher gestalten. Und ausreichen soll die Fördermittel - knapp sieben Millionen von Toto-Lotto und 14 Millionen aus dem Landeshaushalt - auch weiterhin die Investitionsbank oder das Landesverwaltungsamt. Das ist das Gegenteil von dem, was dem LSB nach dessen Finanzskandalen, die im Jahr 2008 öffentlich wurden, von Teilen der Landespolitik versprochen wurde. Vor allem Sportpolitiker der CDU und Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) hatten sich dafür ausgesprochen, dem LSB nach dessen Konsolidierung und Neustrukturierung wieder die Hoheit über die Fördermittelverwaltung zu geben.
"Die Erfahrungen der Vergangenheit haben eine Rolle gespielt", dass es nun doch nicht so komme, so Stahlknecht. Dies sei auch mit den Koalitionsfraktionen besprochen. Er ließ durchblicken, dass die Geldverteilungspolitik des LSB nicht immer nach objektiven Kriterien erfolgt sei, sondern vielfach nach dem Credo, dass der, der am meisten klagt, auch das meiste bekam. "Geld kann auch anstrengend sein", philosophierte Stahlknecht. Objektiv aber soll das Geld künftig verteilt werden - und in Eigenverantwortung der Vereine. Derzeit lässt Stahlknecht einen Kriterienkatalog erarbeiten. Während noch offen ist, wann er fertig wird, scheint klar, welche Kriterien Stahlknecht künftig besonders wichtig sind: Die Zahl der Vereinsmitglieder, den Organisationsgrad des Vereins und dessen Konzepte zur Förderung des Leistungssports. "Das Geld soll da ankommen, wo es wirklich benötigt wird", so Stahlknecht. Ab Januar 2013 sollen die neuen Regelungen gelten.

Sportbund-Chef empört
LSB-Präsident Andreas Silbersack reagierte am Dienstag überrascht auf die Ankündigungen des Sportministers, er habe den Entwurf des Sportfördergesetzes bisher anders gelesen. "Die Pläne des Ministers konterkarieren unser Grundverständnis von der Autonomie des Sports und entsprechen nicht unserem Ansinnen", so Silbersack.
Er gehe davon aus, dass auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) als Dachverband "nicht erfreut über die Entscheidung sein wird". DOSB-Präsident Thomas Bach hatte einst in einem Brief an Böhmer nachdrücklich verlangt, dass der LSB die Zuständigkeit für die Fördermittelvergabe und der Sport im Land seine Autonomie zurück erhält.


Kommentar: Vertrauen fehlt
Christian Elsaeßer
Christian Elsaeßer (FOTO: MZ)

Es ist ein sportpolitischer Paukenschlag: Innenminister Holger Stahlknecht erteilt dem Landessportbund eine klare Absage, künftig wieder selbst über die Mittel für die Sportförderung in Sachsen-Anhalt entscheiden zu können.
Zugegeben: Für die Sportstrukturen des Landes sind die Folgen überschaubar, letztlich bleibt ja nur die bereits geltende Praxis erhalten. Die eigentlich spannende Frage aber ist, welchen Anlass Stahlknecht hat, die Gräben zwischen Sport und Politik erneut so tief aufzureißen.
Klare Begründungen fehlen, doch lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen, dass die Politik unverändert an der Integrität und Objektivität des Landessportbundes zweifelt. Selbst wer die Mittel künftig ausreichen soll, ist noch offen.
Im Grunde spricht all das eine klare Sprache. Das Vorgehen des Innenministers lässt erahnen, dass zwischen Politik und LSB nach wie ein großes Vertrauensdefizit herrscht. Ob das in der Sache gerechtfertigt ist, sei dahingestellt, eine Ohrfeige für den Landessportbund aber ist es allemal. Neben der juristischen Aufarbeitung des Skandals war die Vertrauensgewinnung die wichtigste Aufgabe für die LSB-Führung. Dieses Ziel ist offenbar verfehlt.

 

       
 

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