KULTTRAINER HANS MEYER
Quelle: www.spiegel.de
"Ich
entlasse mich künftig nur noch selbst"
Hans Meyers
Humor ist gefürchtet, der Nürnberger Coach immer wieder für geistreiche Sprüche
gut. Mit dem Fußball-Magazin "11 FREUNDE" sprach der 64-Jährige über dumme
Fragen, ostdeutsche Pkw, Robin Hood und eine überfällige Entschuldigung bei
Monica Lierhaus.
Frage: Herr Meyer, Sie sind offenbar einem
Jungbrunnen entstiegen. Wo steht das Teil?
Hans Meyer:
Sie müssen weniger trinken, junger Mann. Ich war das letzte Mal 1958 betrunken,
da hatte ich ein paar Rhöntropfen zu viel genommen.
Frage: Rhöntropfen?
Meyer: Kräuterschnaps aus Thüringen, schmeckt wie Jägermeister.
Frage: Wie würden Sie
Ihr Verhältnis zu Journalisten beschreiben?
Meyer: Fast normal. Es gibt wie in jedem Beruf
Gute und Schlechte. Was ich nicht mag, sind Leute, die sich schlecht
vorbereiten. Und dann gibt es auch noch Kollegen, die dämliche Fragen stellen.
Frage: Die Sie dann in legendärer Meyer-Manier
nackt im Wind stehen lassen.
Meyer: Stellen Sie sich vor, Sie sind Trainer,
haben ein Spiel gewonnen und werden gefragt: Herr Schäfer, was geht jetzt in
Ihnen vor? Ehrlicherweise müssten Sie dem doch sagen, dass Sie mit dem Gedanken
spielen, ihn zu erwürgen.
Frage: Könnte es sein, dass Sie nach dem
Pokalfinale im Mai übers Ziel hinaus geschossen sind?
Meyer:
Sie meinen das mit Frau Lierhaus? (Die ARD-Moderatorin war der Annahme, dass
elf Nürnberger zehn Stuttgarter an die Wand hätten spielen müssen, weswegen
Meyer auf 180 war; die Red.) Ja, das hat mir hinterher auch ein bisschen
leid getan. Ich werde die liebe Monica demnächst in den Arm nehmen und drücken.
Frage: Die Kollegen vom Boulevard werden von
Hans Meyer in diesem Leben wohl nicht mehr gedrückt.
Meyer: Könnte so sein, ja. Ich habe da ein paar
Mal ganz schlechte Erfahrungen gemacht und dann für mich entschieden: Das war's.
Frage: So weit geht keiner Ihrer Kollegen.
Meyer: Wenn ich jeden Tag mit diesen
Journalisten essen gehe, darf ich in schwierigen Zeiten vielleicht eine Woche
länger im Amt bleiben. So wie es jetzt ist, müsste ich wahrscheinlich zwei
Wochen früher gehen.
Frage: Der Legende nach wurden Sie noch nie
entlassen.
Meyer: Ich bin fünf Mal geflogen, unter anderem
in Jena und bei Union Berlin. In 36 Trainerjahren ist das immer noch eine gute
Quote.
Frage:
Wie schätzen Sie die Lage im
Fußball-Osten ein?
Meyer:
Cottbus und Jena sind drin geblieben, Rostock ist aufgestiegen, Magdeburg hätte
es fast geschafft. Das sah alles schon schlechter aus. Leipzig drückt mich. Die
brauchen endlich einen Verein, die Kräfte müssen gebündelt werden, mein alter
Freund Bernd Bauchspieß (Chemie-Legende; die Red.) sieht das genauso.
Aber bei dieser Feindschaft zwischen Lok und Chemie sehe ich schwarz.
Frage: Eine singuläre Abneigung?
Meyer: Zwischen Jena und Erfurt ist's ähnlich.
Frage: Sie sind 1984 von Jena nach Erfurt
gewechselt.
Meyer: Mein Wartburg wurde demoliert und
vollgepinselt. Mit "Meyer, du wirst sterben" und solche Sachen.
Frage: Woher wussten die Jenaer, welcher
Wartburg Ihrer war?
Meyer: Ich hatte damals draufgeschrieben: "Ich
bin dem Hans sein Auto".
Frage: Kennen Sie Alfred Kunze?
Meyer: Trainer Chemie Leipzig, Meister 1964.
Dem hat man alle guten Kicker weggeholt, dann ist der mit den vermeintlich
Blinden Meister geworden. Ein ganz Großer.
Frage: 23 Jahre später sind Sie der Alfred
Kunze des 1. FC Nürnberg, haben den Club salonfähig gemacht, sind Pokalsieger,
werden gottgleich verehrt.
Meyer: Mehr davon, junger Mann!
Frage: Nürnbergs Chef Michael A. Roth soll bei
den Verhandlungen um Ihre Vertragsverlängerung bis 2009 Kreislaufprobleme
bekommen haben. Sind Sie gierig?
Meyer: Ich habe drei Kinder, acht Enkel, habe
erst 1996 in Enschede angefangen, Geld zu verdienen. Herr Roth bezahlt mich von
Herzen gerne, hat sich ja auch eine richtige Perle geangelt.
Frage: Die anfangs nur Nummer zwei der
Besetzungsliste hinter Peter Neururer war.
Meyer:
Ich schätze mal, ich war die 15.
Frage: Können Sie sich vorstellen, dass der als
Trainerkiller bekannte Roth eines Tages auch Ihnen ans Fell geht?
Meyer: Nein, ich entlasse mich künftig nur noch
selbst.
Frage: Würden Sie sich als Spielerversteher
bezeichnen? Darf ein gramgebeugter Profi jederzeit zu Ihnen kommen?
Meyer: Gehen Sie davon aus, dass es Momente
gibt, in denen sich auch ein Hans Meyer nur ungern stören lässt. Sonst helfe
ich, wo ich kann. Ich habe versucht, sechs Ehen von Spielern zu retten. Eine
gibt es noch, die anderen fünf wollten mich töten, weil ich das Elend verlängert
habe.
Frage: Der Argentinier Javier Pinola hat Ihnen
bei einem Spiel gegen die Bayern das Trikot vor die Füße geworfen. Was hätten
Sie mit ihm in Ihren jungen Trainerjahren gemacht?
Meyer: Erschossen, mindestens. Ich war ja schon
mit 27 Trainer, habe als junger Spund abgezockte Nationalspieler trainiert,
hatte Angst vor Autoritätsverlust. Da gab es schon die eine oder andere
Maßnahme, die ich heute als schwachsinnig bezeichnen würde. Um zu demonstrieren,
wie toll ich bin, habe ich damals den Jenaer Vereinschef aus dem Mannschaftsbus
komplimentiert. Das hat der mir nie verziehen. Ich mir übrigens auch nicht.
Frage: Zurück zu Pinola. Sie holten ihn nach 17
Minuten vom Platz ....
Meyer:
... und einer Ihrer Kollegen fragte, ob das nicht zu früh gewesen sei. Fast zu
spät war das. Pino hat so eine Robin-Hood-Mentalität, einen übertriebenen
Gerechtigkeitssinn. So was kann man auf dem Fußballplatz nicht gebrauchen. Er
hat permanent mit dem Schiri debattiert, stand vorm Platzverweis, hat unsinnige
Freistöße provoziert, unseren Erfolg gegen Bayern gefährdet.
Frage: Im nächsten Spiel hat Ihr Robin Hood
wieder gespielt, gut gespielt. War er beim Psychologen?
Meyer: Nein, bei mir. Ich hatte mal ein paar
Jungs, die sind zum Psychologen, um konstanter und besser zu kicken.
Frage: Und hat's was gebracht?
Meyer: Die kamen zurück und haben genau wie
vorher gespielt, konnten damit aber besser umgehen.
Frage: Träumen Sie noch von Ihren Zeiten als
aktiver Fußballer?
Meyer: Sie?
Frage: Ja, der Traum sieht folgendermaßen aus:
Ottmar Hitzfeld holt mich trotz Hüftprothese zu den Bayern und sagt: "Da wo der
Lucio hinlaufen muss, stehst du schon".
Meyer: Schöner Traum. Ich habe einen Albtraum.
Ich sitze in der Kabine, komme nicht in die Schuhe. Draußen wird schon gespielt,
wir liegen 0:3 zurück, ein Horror.
Die Fragen stellte
Guido Schäfer
ZUR PERSON:
Hans
Meyer, Jahrgang 1942, ist seit dem 9. November 2005 Trainer in Nürnberg. Der
frühere DDR- Oberligaspieler ("Ich konnte weder besonders schnell noch lange
laufen") gewann mit dem FCN 2007 den DFB- Pokal. Meyer begann seine Laufbahn als
Coach bei Jena. Später betreute er die DDR- Vereine Erfurt, Karl- Marx- Stadt
(Chemnitz) und Union Berlin. Erste Station im Westen war der niederländische
Erstligist Enschede, dann folgten Mönchengladbach, Hertha BSC und Nürnberg.
Guido Schäfer absolvierte 177 Zweitliga- Spiele für Mainz 05.
|