Quelle:
mz-web.de
28. Mai 2010
Nasenbär-Baby bringt seinem Präparator
Titelehren ein
VON HOLGER
ZIMMER
Jan Panniger präpariert hier in der Werkstatt des Stuttgarter
Naturkundemuseums eine 5,5 Meter lange Riesenschlange.
(FOTO: PRIVAT)
TAGEWERBEN/MZ.
Der richtige Riecher bescherte dem Tagewerbener Jan Panniger jetzt den
Europameistertitel. Im italienischen Longarone heimste er mit dem
Präparat eines Nasenbär-Babys 95 Punkte ein, die von keinem der 15
Mitbewerber in der Kategorie Kleintiere übertroffen wurden. Das 30
Zentimeter lange Neugeborene war von der Mutter in der Wilhelma, dem
bekannten Stuttgarter Zoo, im Freien abgelegt worden und starb ebenso
wie ein zweites Baby.
Mit diesem begann der 28-Jährige, "weil man das ja nicht alle Tage
macht", und ließ die Erfahrungen in das zweite Präparat einfließen. Es
sei angesichts seiner Dünnhaarigkeit nicht einfach gewesen, überzeugte
aber die Juroren. Panniger hatte es auf einer Waage platziert, wo es wie
schlafend aussah. Er weiß natürlich um die psychologische Wirkung auf
den Außenstehenden, wozu auch das richtige Ensemble gehört. Und so bekam
er noch einen dritten Platz für das beste Podest, bei dem er mit
Pflugteilen eine Winterlandschaft mit Saatkrähen gestaltet hatte.
Eigentlich wollte der Tagewerbener das Abitur machen, beendete die
Schule aber vorzeitig und bewarb sich um eine Ausbildung als Zahn-
beziehungsweise Präparationstechniker. Als Letzterer wurde er in Bochum
angenommen. Mit mehr als der Tatsache, dass er auf dem Lande groß
geworden und seine Mutter Biologielehrerin war, konnte er aber nicht
punkten. Allerdings hatte Panniger als Junge nach dem Angeln schon mal
versucht, Fische zu trocknen oder in Alkohol einzulegen, um sie zu
erhalten. So richtig die Augen für
den Beruf geöffnet hat ihm aber erst ein Praktikum im Zoologischen
Institut der Universität Halle, wo er auf wahre Meister ihres Fachs
traf. Inzwischen nimmt ihn sein Job im Staatlichen Museum für Naturkunde
völlig gefangen. "Für mich ist egal, welcher Wochentag ist. Ich muss am
Montag nicht auf Freitag warten." Die Arbeit ist für ihn Hobby und so
spielt der einst aktive Handballer auch nur noch selten mit dem runden
Leder. Hinzu kommt, dass er zwischen Stuttgart, Tagewerben und Berlin,
wo seine Lebensgefährtin tätig ist, regelmäßig pendelt.
Was ihn an seinem Beruf reizt? "Ich bin Fleischer, wenn ich die Haut der
Tiere abziehen muss, Bildhauer und Anatom, um die Tierkörper aus
Kunststoff zu gestalten, und Visagist, um ihnen anhand von Fotos
scheinbares Leben einzuhauchen." Schwierig wird es immer dann, wenn -
wie bei einem knittrigen Affengesicht - Weichteile zu gestalten sind.
Beruflich war er schon in Madagaskar, wo ein rattenähnliches Kleintier
nach 150 Jahren erstmals wieder vermessen wurde, um dessen Entwicklung
zu dokumentieren. Vögel habe man dort vorpräpariert oder auf Salz mit
nach Hause gebracht. Und in Japan sei ihm ein Flughörnchen für die
Ausstellung geschenkt worden. Aber der gesamte Arbeitstag besteht nicht
nur darin, Tieren das Fell abzuziehen. So gebe es im Museum 58 000
Vogelbälge - rund 500 allein von Amseln - für Vergleichszwecke. Dem
dienen auch Tiere wie Sperlinge oder Rehe, die nach Unfällen tot
geborgen wurden. Die Sammlung gilt es zu erhalten und Lebensräume von
der Savanne bis zum Hochgebirge in der Dauerausstellung zu gestalten.
Nach Stuttgart ist er nicht unbedingt als Meister seines Fachs gekommen,
räumt Jan Panniger ein. Er habe Glück gehabt, denn Jobs in diesem Beruf
seien eher selten und noch dazu nicht übermäßig gut bezahlt. Deshalb
würden dann auch nur zwei von zwölf Absolventen seines Jahrgangs im
Präparatorenfach arbeiten. Doch schnell hatte er genügend Erfahrungen
gesammelt, um sich erfolgreich an einer Europameisterschaft beteiligen
zu können. Und schon winken 2012 das Weltchampionat im österreichischen
Salzburg und in vier Jahren weitere kontinentale Titelkämpfe in Italien.
Dass der 28-Jährige dort mit einem von vielen Steinmardern keine Chance
haben wird, weiß er und hat deshalb bereits seltene Tierarten in der
Hinterhand. Denn klar ist auch: "Mit guten Plätzen bei solchen
Meisterschaften lässt sich beruflich wuchern."