TSV aktuell 2011

28.03.11

 


Quelle: mz-web.de

Zu schön zum Vernaschen
VON MARLENE KÖHLER

Geschnitztes Gemüse
Was einst gewöhnliches Gemüse war, ist nach dem Schnitzen zu kleinen Kunstwerken geworden. (FOTO: AF)

Halle (Saale)/MZ. Das also waren einmal Möhren, Radieschen, Rettich, Kohlrabi, Rote Bete, Kürbis, Melone und Grüne Gurke. In Arthur Felgers Händen haben sie sich in Kunstwerke zum Staunen verwandelt. Felger schält Rosen und Chrysanthemen, Pfauen, Schwäne, Fische mitsamt Aquarium, Blütenarrangements auf dekorativen Schalen oder Früchte im Korb aus Obst und Gemüse. Er braucht dazu nicht mehr als ein profanes Küchenmesser, und für vollendete Rundungen einen Formmeißel.
Im Jahr 2006 erfasst den gelernten Instandhaltungsmechaniker und ausgebildeten Kaufmann Arthur Felger das Schnitzfieber. Damals betreibt der Mann aus Reichardtswerben in Weißenfels die Gaststätte "Arthurs Stübchen". Schon lange ärgert ihn in Restaurants die ewig gleiche "Dekoration" auf den Tellern, immer nur Gurke, Tomate, Petersilie. Da hört er von dem Chinesen Xiang Wang, dem zweifachen Weltmeister im Obst- und Gemüseschnitzen. Neugierig belegt er einen Kurs beim Großmeister in der Schweiz, später weitere in Deutschland, erlernt dieses ungewöhnliche Handwerk.
"Schon zu Zeiten von Tang- und Sung-Dynastie, zwischen 618 und 1279 nach Christus, ist das Garnieren von Speisen in China weit verbreitet", weiß Felger. Wobei die prächtigen Früchtedekorationen, Tier- und Personendarstellungen aus Teig nicht nur bei feudalen Banketten, sondern auch bei Feierlichkeiten des Bürgertums gefragt sind. "Ihren Durchbruch schafft diese Kunst aber erst in den letzten Jahren", sagt der 49-Jährige, der im Januar dieses Jahres sein Hobby zum Beruf macht und die Firma "Arthurs Buffetdesign" gründet.
"Ich versuche, immer etwas Typisches für den Anlass zu finden", erzählt Felger. Gestaltet er z.B. das Buffet in einem Autohaus, zur Premiere eines neuen Autos, schnitzt er Mobile aus Wassermelonen, bei der Einschulung Zuckertüten, für Hochzeiten mehrstöckige Torten. "Der Gast soll das Gefühl haben, willkommen zu sein", sagt der Früchtedesigner. Bei etlichen festlichen Anlässen krönen die Früchte seiner Arbeit die Buffets. Die Leute sollen stehen bleiben und schauen, das ist das Ziel des Vize-Europameisters.
Nebenbei sind die Termine auf Bällen, Festen, Messen längst nicht mehr zu schaffen. Felger ist gut gebucht, sein in sämtlichen Spezialkursen erworbenes Wissen gefragt. Veranstaltungen u. a. in Sebnitz, Meißen, Brandenburg, der Sektkellerei Freyburg, Merseburg, Leipzig, Lüneburg, Bad Bevensen stehen schon in seinem Kalender; im Dezember wird er als Dozent im thüringischen Kloster Donndorf auftreten und Silvester wieder das Buffet im Hotel "Zum Löwen" in Sangerhausen gestalten. 2010 hat er in Stuttgart die Goldmedaille im Wettbewerb "Culinary Trophy" auf der internationalen Kochkunstschau Intergastra gewonnen, sein größtes Ziel ist jetzt die Olympiade der Köche 2012 in Erfurt. Hier Gold zu schaffen, das wäre was.
Nun, wo ihm der Großmeister, der zu einem Freund geworden ist, nicht mehr viel Neues beibringen kann, gibt Arthur Felger selbst Seminare. Im Weißenfelser Parkhotel "Güldene Berge" leitet er zum Beispiel Schnupper- und Tageskurse im Gemüseschnitzen. Bei Köchen und Gastronomen gibt er sein Wissen in Restaurants vor Ort weiter, ab fünf Personen kann man ihn auch privat buchen, da kommt er zu den Interessenten nach Hause.
Beim etwa vierstündigen Schnupperkurs im Parkhotel liegen vor jedem Teilnehmer ein großes Kunststoff-Brett und ein Küchenmesser. Felger teilt Möhren aus. "Wir fangen mit Gerade-Schneiden an, das ist ganz schön schwer", sagt er, "das Optische kommt mit der Übung." Die beiden Frauen aus Weißenfels, Mutter und Tochter, blicken skeptisch. Sie haben den Kurs vom Ehemann bzw. Vater geschenkt bekommen. Jetzt sollen sie als erstes gleichschenklige Dreiecke schneiden, dann drei Einkerbungen schräg nach unten - und heraus kommen - wirklich - dreiblättrige Blüten. Deren Form kann man durch eingeschnitzte Keile sogar noch variieren. Dann gesellen sich Fächer aus grüner Gurke dazu, Blüten und gezackte Ringe aus Radieschen, ein Blumenstrauß aus Porree. Nach der Hälfte der Zeit ist der Teller gut mit Mustern neuen Könnens gefüllt.
"Obst verzeiht keine Fehler", sagt der Meister, deshalb geht es bei den kurzen Kursen ausschließlich ans Gemüse. Felger spricht vom "Messergefühl", das man zunächst bekommen muss; mit einer Mischung aus Lob, Ansporn und Erinnerung an seine Gemüseschnitzer-Anfänge fordert er heraus und tröstet, je nach Gemütslage der Frauen. Zuerst ist da vor allem stöhnen: zu viel abgeschnitten, abgerutscht, neu begonnen, zu weit eingeschnitten, Mist, noch mal.
Doch mit den Ergebnissen kommt der Spaß und am Ende der Stolz. Wenn sie weitermachen - ab nächstes Jahr will der Meister Wochenkurse geben, - schaffen sie vielleicht sogar den Kakadu. Der ist selbst für Arthur Felger eine Herausforderung. Bis zu anderthalb Stunden schnitzt er an dem Papageienvogel mit der auffälligen Federhaube und dem prächtigen Gefieder.

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