Zu schön zum Vernaschen
VON MARLENE KÖHLER
Halle (Saale)/MZ. Das
also waren einmal Möhren,
Radieschen, Rettich, Kohlrabi, Rote
Bete, Kürbis, Melone und Grüne
Gurke. In Arthur Felgers Händen
haben sie sich in Kunstwerke zum
Staunen verwandelt. Felger schält
Rosen und Chrysanthemen, Pfauen,
Schwäne, Fische mitsamt Aquarium,
Blütenarrangements auf dekorativen
Schalen oder Früchte im Korb aus
Obst und Gemüse. Er braucht dazu
nicht mehr als ein profanes
Küchenmesser, und für vollendete
Rundungen einen Formmeißel.
Im Jahr 2006 erfasst den gelernten
Instandhaltungsmechaniker und
ausgebildeten Kaufmann Arthur Felger
das Schnitzfieber. Damals betreibt
der Mann aus Reichardtswerben in
Weißenfels die Gaststätte "Arthurs
Stübchen". Schon lange ärgert ihn in
Restaurants die ewig gleiche
"Dekoration" auf den Tellern, immer
nur Gurke, Tomate, Petersilie. Da
hört er von dem Chinesen Xiang Wang,
dem zweifachen Weltmeister im Obst-
und Gemüseschnitzen. Neugierig
belegt er einen Kurs beim
Großmeister in der Schweiz, später
weitere in Deutschland, erlernt
dieses ungewöhnliche Handwerk.
"Schon zu Zeiten von Tang- und
Sung-Dynastie, zwischen 618 und 1279
nach Christus, ist das Garnieren von
Speisen in China weit verbreitet",
weiß Felger. Wobei die prächtigen
Früchtedekorationen, Tier- und
Personendarstellungen aus Teig nicht
nur bei feudalen Banketten, sondern
auch bei Feierlichkeiten des
Bürgertums gefragt sind. "Ihren
Durchbruch schafft diese Kunst aber
erst in den letzten Jahren", sagt
der 49-Jährige, der im Januar dieses
Jahres sein Hobby zum Beruf macht
und die Firma "Arthurs Buffetdesign"
gründet.
"Ich versuche, immer etwas Typisches
für den Anlass zu finden", erzählt
Felger. Gestaltet er z.B. das Buffet
in einem Autohaus, zur Premiere
eines neuen Autos, schnitzt er
Mobile aus Wassermelonen, bei der
Einschulung Zuckertüten, für
Hochzeiten mehrstöckige Torten. "Der
Gast soll das Gefühl haben,
willkommen zu sein", sagt der
Früchtedesigner. Bei etlichen
festlichen Anlässen krönen die
Früchte seiner Arbeit die Buffets.
Die Leute sollen stehen bleiben und
schauen, das ist das Ziel des
Vize-Europameisters.
Nebenbei sind die Termine auf
Bällen, Festen, Messen längst nicht
mehr zu schaffen. Felger ist gut
gebucht, sein in sämtlichen
Spezialkursen erworbenes Wissen
gefragt. Veranstaltungen u. a. in
Sebnitz, Meißen, Brandenburg, der
Sektkellerei Freyburg, Merseburg,
Leipzig, Lüneburg, Bad Bevensen
stehen schon in seinem Kalender; im
Dezember wird er als Dozent im
thüringischen Kloster Donndorf
auftreten und Silvester wieder das
Buffet im Hotel "Zum Löwen" in
Sangerhausen gestalten. 2010 hat er
in Stuttgart die Goldmedaille im
Wettbewerb "Culinary Trophy" auf der
internationalen Kochkunstschau
Intergastra gewonnen, sein größtes
Ziel ist jetzt die Olympiade der
Köche 2012 in Erfurt. Hier Gold zu
schaffen, das wäre was.
Nun, wo ihm der Großmeister, der zu
einem Freund geworden ist, nicht
mehr viel Neues beibringen kann,
gibt Arthur Felger selbst Seminare.
Im Weißenfelser Parkhotel "Güldene
Berge" leitet er zum Beispiel
Schnupper- und Tageskurse im
Gemüseschnitzen. Bei Köchen und
Gastronomen gibt er sein Wissen in
Restaurants vor Ort weiter, ab fünf
Personen kann man ihn auch privat
buchen, da kommt er zu den
Interessenten nach Hause.
Beim etwa vierstündigen
Schnupperkurs im Parkhotel liegen
vor jedem Teilnehmer ein großes
Kunststoff-Brett und ein
Küchenmesser. Felger teilt Möhren
aus. "Wir fangen mit
Gerade-Schneiden an, das ist ganz
schön schwer", sagt er, "das
Optische kommt mit der Übung." Die
beiden Frauen aus Weißenfels, Mutter
und Tochter, blicken skeptisch. Sie
haben den Kurs vom Ehemann bzw.
Vater geschenkt bekommen. Jetzt
sollen sie als erstes
gleichschenklige Dreiecke schneiden,
dann drei Einkerbungen schräg nach
unten - und heraus kommen - wirklich
- dreiblättrige Blüten. Deren Form
kann man durch eingeschnitzte Keile
sogar noch variieren. Dann gesellen
sich Fächer aus grüner Gurke dazu,
Blüten und gezackte Ringe aus
Radieschen, ein Blumenstrauß aus
Porree. Nach der Hälfte der Zeit ist
der Teller gut mit Mustern neuen
Könnens gefüllt.
"Obst verzeiht keine Fehler", sagt
der Meister, deshalb geht es bei den
kurzen Kursen ausschließlich ans
Gemüse. Felger spricht vom
"Messergefühl", das man zunächst
bekommen muss; mit einer Mischung
aus Lob, Ansporn und Erinnerung an
seine Gemüseschnitzer-Anfänge
fordert er heraus und tröstet, je
nach Gemütslage der Frauen. Zuerst
ist da vor allem stöhnen: zu viel
abgeschnitten, abgerutscht, neu
begonnen, zu weit eingeschnitten,
Mist, noch mal.
Doch mit den Ergebnissen kommt der
Spaß und am Ende der Stolz. Wenn sie
weitermachen - ab nächstes Jahr will
der Meister Wochenkurse geben, -
schaffen sie vielleicht sogar den
Kakadu. Der ist selbst für Arthur
Felger eine Herausforderung. Bis zu
anderthalb Stunden schnitzt er an
dem Papageienvogel mit der
auffälligen Federhaube und dem
prächtigen Gefieder.