Burgenlandkreis
Erst Mischbrot, dann Torte
VON KARIN GROSSMANN
An der Gesellenprüfung nahmen am Montag in Reichardtswerben
Patrick Soffa, Monique Rudolph und Steven Fischer teil.
(FOTO: PETER LISKER)
REICHARDTSWERBEN/MZ. Eigentlich hätte Karola Hippe, die
Bäckermeisterin in Reichardtswerben, am Montag einen freien
Tag gehabt. Montags bleibt die Bäckerei immer zu. Trotzdem
stand sie bis zum Nachmittag immer wieder in ihrer
Backstube. Doch sie knetete nicht den Teig für die Brote,
die später im Ofen gebacken wurden. Sie kreierte auch nicht
solche Torten, wie an anderen Tagen, mit denen sie sich
einen Namen gemacht hat. Sie schaute aufmerksam zu. Am
Montag fand in ihrer Bäckerei die Gesellenprüfung statt.
Drei Lehrlinge aus dem Burgenlandkreis zeigten nach drei
Jahren Ausbildung ihr Können. Seit sechs Jahren ist die
Bäckermeisterin Karola Hippe Vorsitzende der
Prüfungskommission und stellt dafür für einen Tag lang gern
ihr Gebäude zur Verfügung.
Monique Rudolph aus Teuchern, Patrick Soffa aus Zeitz und
Steven Fischer aus Weißenfels sind angetreten. Drei Jahre
haben sie die Theorie des Bäckerhandwerks in den
Berufsbildenden Schulen in Weißenfels gelernt, die Praxis
bei ihren Meistern geübt. Wie gut, das hatten sie am Montag
zu zeigen. Die Bewertung nahm am Ende aber nicht allein
Karola Hippe vor. "Die Prüfung besteht aus fünf Mitgliedern"
sagte sie. Dazu gehöre auch ein Geselle. In diesem Jahr war
es Thomas Ulrich, der bereits das erste Brot aus dem Ofen
holte. Auch er beobachtete die Lehrlinge seit dem Morgen.
Nach einem Rahmenvertrag lernen Lehrlinge praktisch bei
einem Meisterbäcker.
Sicher, eine Zwischenprüfung hatten sie schon hinter sich.
Doch die Gesellenprüfung ist für sie wichtiger. Können sie
die Aufgaben umsetzen und sich vor der Prüfung beweisen,
geht die Ausbildung zu Ende. Sie können arbeiten und Geld
verdienen. Schaffen sie es nicht, ist eine Nachprüfung
notwendig. Schließlich gehe es beim Bäckerhandwerk um
Qualität, die die Kunden begeistern soll.
7.30 Uhr waren die Lehrlinge in Reichardtswerben noch
ziemlich entspannt eingetroffen. "Die Rohstoffe und alle
Materialien müssen sie mitbringen", erklärte die heimischen
Meisterin. Natürlich helfe sie bei Kleinigkeiten auch mal
aus. Es sollte nicht an vergessenen Rosinen fehlen, wenn sie
ins Rezept gehören. Natürlich brachten die Lehrlinge auch
ihre Berufsbekleidung mit.
Um 8 Uhr habe sie die Prüfung eröffnet und das
"Überraschungspaket" geöffnet, erzählte die
Reichardtswerbenerin später. Was die Fast-Gesellen am Montag
herstellen mussten, wussten sie vorab nicht. Frau Hippe
hatte festgelegt, dass ein Roggenmischbrot und zwei
Spezialbrote geknetet und gebacken und am Nachmittag
präsentiert werden mussten. Ein Hefeteig war herzustellen,
dann zu flechten. Die sahen am Ende unterschiedlich aus. Die
Meisterin erkannte, ob der Lehrling das Handwerk in drei
Jahren gelernt hatte oder die Ausbildungsbäckerei das
Flechten einer Maschine überlässt. Plunderteig stand auf dem
Plan und dann eine dekorierte Torte.
Die Torten werden bei der Ausbildung meistens
vernachlässigt, wusste die Reichardtswerbenerin. Obwohl sie
das nicht verstehen könne. Seit sie das Familienunternehmen,
das es im Ort schon sein 100 Jahren gibt, im Januar 2004
übernommen hatte, seien die Torten ihre Sache. Es sei ihr
Wunschberuf, sie wollte unbedingt Bäckerin werden. Es störe
sie nicht, nachts 1 Uhr aufzustehen. Sie weiß auch, dass das
Handwerk schlecht bezahlt werde. Doch sie freut sich über
jeden Jugendlichen, der der Tradition folgt. In ihrer
Bäckerei habe sie selbst zwei Gesellen angestellt, zudem
bilde sie ein Mädchen aus. Deren Prüfung werde sie aber dann
nicht vornehmen.
"Wir sind die Fachprüfungskommission für den Bereich
Sachsen-Anhalt Süd", sagte sie. Handwerk sei anders, als in
der Großbäckerei zu arbeiten. Doch ihr sei das Handwerk
wichtig. Deshalb habe sie vor sechs Jahren ja gesagt, zu der
Frage, ob sie die Prüfungskommission leiten wolle.
Doch sie sagte auch: "Bäcker sind die besten Köche." Deshalb
gehöre zur Gesellenprüfung auch ein Warenkorb, aus dem die
Lehrlinge einen Snack und ein kleines Gericht kreieren
mussten. Das gehöre mittlerweile zum Geschäft. Beim
Hinschauen auf den Warenkorb hatten die Lehrlinge sofort
gewusst, was daraus werden sollte: eine Soljanka, eine
Lauchsuppe und Kartoffelsalat mit Klops. Für alles hatten
die Teilnehmer maximal acht Stunden Zeit.