TSV aktuell 2011

29.06.11

 


Quelle: mz-web.de

Burgenlandkreis

Erst Mischbrot, dann Torte

VON KARIN GROSSMANN
Gesellenprüfung
An der Gesellenprüfung nahmen am Montag in Reichardtswerben Patrick Soffa, Monique Rudolph und Steven Fischer teil. (FOTO: PETER LISKER)

REICHARDTSWERBEN/MZ. Eigentlich hätte Karola Hippe, die Bäckermeisterin in Reichardtswerben, am Montag einen freien Tag gehabt. Montags bleibt die Bäckerei immer zu. Trotzdem stand sie bis zum Nachmittag immer wieder in ihrer Backstube. Doch sie knetete nicht den Teig für die Brote, die später im Ofen gebacken wurden. Sie kreierte auch nicht solche Torten, wie an anderen Tagen, mit denen sie sich einen Namen gemacht hat. Sie schaute aufmerksam zu. Am Montag fand in ihrer Bäckerei die Gesellenprüfung statt. Drei Lehrlinge aus dem Burgenlandkreis zeigten nach drei Jahren Ausbildung ihr Können. Seit sechs Jahren ist die Bäckermeisterin Karola Hippe Vorsitzende der Prüfungskommission und stellt dafür für einen Tag lang gern ihr Gebäude zur Verfügung.
Monique Rudolph aus Teuchern, Patrick Soffa aus Zeitz und Steven Fischer aus Weißenfels sind angetreten. Drei Jahre haben sie die Theorie des Bäckerhandwerks in den Berufsbildenden Schulen in Weißenfels gelernt, die Praxis bei ihren Meistern geübt. Wie gut, das hatten sie am Montag zu zeigen. Die Bewertung nahm am Ende aber nicht allein Karola Hippe vor. "Die Prüfung besteht aus fünf Mitgliedern" sagte sie. Dazu gehöre auch ein Geselle. In diesem Jahr war es Thomas Ulrich, der bereits das erste Brot aus dem Ofen holte. Auch er beobachtete die Lehrlinge seit dem Morgen. Nach einem Rahmenvertrag lernen Lehrlinge praktisch bei einem Meisterbäcker.
Sicher, eine Zwischenprüfung hatten sie schon hinter sich. Doch die Gesellenprüfung ist für sie wichtiger. Können sie die Aufgaben umsetzen und sich vor der Prüfung beweisen, geht die Ausbildung zu Ende. Sie können arbeiten und Geld verdienen. Schaffen sie es nicht, ist eine Nachprüfung notwendig. Schließlich gehe es beim Bäckerhandwerk um Qualität, die die Kunden begeistern soll.
7.30 Uhr waren die Lehrlinge in Reichardtswerben noch ziemlich entspannt eingetroffen. "Die Rohstoffe und alle Materialien müssen sie mitbringen", erklärte die heimischen Meisterin. Natürlich helfe sie bei Kleinigkeiten auch mal aus. Es sollte nicht an vergessenen Rosinen fehlen, wenn sie ins Rezept gehören. Natürlich brachten die Lehrlinge auch ihre Berufsbekleidung mit.
Um 8 Uhr habe sie die Prüfung eröffnet und das "Überraschungspaket" geöffnet, erzählte die Reichardtswerbenerin später. Was die Fast-Gesellen am Montag herstellen mussten, wussten sie vorab nicht. Frau Hippe hatte festgelegt, dass ein Roggenmischbrot und zwei Spezialbrote geknetet und gebacken und am Nachmittag präsentiert werden mussten. Ein Hefeteig war herzustellen, dann zu flechten. Die sahen am Ende unterschiedlich aus. Die Meisterin erkannte, ob der Lehrling das Handwerk in drei Jahren gelernt hatte oder die Ausbildungsbäckerei das Flechten einer Maschine überlässt. Plunderteig stand auf dem Plan und dann eine dekorierte Torte.
Die Torten werden bei der Ausbildung meistens vernachlässigt, wusste die Reichardtswerbenerin. Obwohl sie das nicht verstehen könne. Seit sie das Familienunternehmen, das es im Ort schon sein 100 Jahren gibt, im Januar 2004 übernommen hatte, seien die Torten ihre Sache. Es sei ihr Wunschberuf, sie wollte unbedingt Bäckerin werden. Es störe sie nicht, nachts 1 Uhr aufzustehen. Sie weiß auch, dass das Handwerk schlecht bezahlt werde. Doch sie freut sich über jeden Jugendlichen, der der Tradition folgt. In ihrer Bäckerei habe sie selbst zwei Gesellen angestellt, zudem bilde sie ein Mädchen aus. Deren Prüfung werde sie aber dann nicht vornehmen.
"Wir sind die Fachprüfungskommission für den Bereich Sachsen-Anhalt Süd", sagte sie. Handwerk sei anders, als in der Großbäckerei zu arbeiten. Doch ihr sei das Handwerk wichtig. Deshalb habe sie vor sechs Jahren ja gesagt, zu der Frage, ob sie die Prüfungskommission leiten wolle.
Doch sie sagte auch: "Bäcker sind die besten Köche." Deshalb gehöre zur Gesellenprüfung auch ein Warenkorb, aus dem die Lehrlinge einen Snack und ein kleines Gericht kreieren mussten. Das gehöre mittlerweile zum Geschäft. Beim Hinschauen auf den Warenkorb hatten die Lehrlinge sofort gewusst, was daraus werden sollte: eine Soljanka, eine Lauchsuppe und Kartoffelsalat mit Klops. Für alles hatten die Teilnehmer maximal acht Stunden Zeit.

                                                                                                               zum Anfang