Chef geht mit einem Sieg
VON HOLGER ZIMMER
REICHARDTSWERBEN/MZ.
Schichtdienst, Alarme in der Nacht und dann die
Verantwortung für die 16 Feuerwehren des ehemaligen
Abschnittes Nord - Gisbert Schendel hat mit seinen 58
Jahren einiges erlebt. So viel, dass er seinem
Nachfolger Uwe Thalheim nach fast zwölf Jahren gern das
noch größere Gebiet als Abschnittsleiter überließ,
obwohl es ihm schwerfiel, einfach abzuschalten. Nun
haben ihm "seine" Wehrleiter aus der
Ex-Verwaltungsgemeinschaft Saaletal und Weißenfels mit
Präsenten verabschiedet und ihm beim Kegeln sogar den
Sieg überlassen.
"Es wurde Zeit, etwas ruhiger zu treten", sagt der
Reichardtswerbener, der 1974 nach Weißenfels zur
Berufsfeuerwehr ging. Damals hatte er sich nicht
vorstellen können, die harte Arbeit als Zimmermann ein
Leben lang zu machen und wollte studieren. Die älteren
Kameraden hätten ihm dann gesagt, mutig zu sein, aber
nicht übermütig. Und dennoch hat Schendel vor über 20
Jahren beim Bühnenbrand im Weißenfelser Kulturhaus
Glutnester auf dem Boden beseitigt und denkt noch heute
daran, was dabei hätte passieren können. Auch deshalb
gibt er den alten Spruch nun gern an die Jüngeren
weiter.
Seelsorgerische Betreuung in der DDR? Der 58-Jährige
schüttelt den Kopf und erinnert sich an einen
Autobahnunfall, bei dem es einen Pkw mitsamt einer
vierköpfigen Familie regelrecht zerrissen hat. Statt mit
Spreizer sowie Schneider zu arbeiten, mussten
Feuerwehrautos die verkeilten Fahrzeuge
auseinanderziehen, damit man Menschen bergen konnte.
Heute gibt es Seelsorger, aber mitunter reiche es auch,
wenn man mit den jüngeren Kameraden rede, sagt der
Reichardtswerbener.
Für seinen Feuerwehrabschnitt kann er eine gute Bilanz
ziehen. Dennoch bleiben einige Wermutstropfen. So sei es
nicht gelungen, die Wengelsdorfer Wehr zu erhalten. Und
obwohl für Storkau, Obschütz und Pettstädt sogar
gemeinsame Übungen organisiert wurden, gab es immer mal
wieder Differenzen zwischen den Ortswehren. Auch der
Feuerwehrkampfsport als Aushängeschild hat zuletzt im
Zuge der Gebietsreform gelitten. So stehen hinter einer
Kreismeisterschaft, die lange Zeit in Tagewerben
ausgetragen wurde, viele Fragezeichen. Seinem Nachfolger
hat Schendel versprochen zu helfen, wenn es "brennt",
und in der Wehrleitung der Reichardtswerbener Feuerwehr
will er weiter mitmischen. Schließlich hat er seit 1994
neben dem damaligen Wehrleiter Hartmut Franke dazu
beigetragen, dass es nach langer Durststrecke wieder
aufwärts ging. Ein neues Feuerwehrgerätehaus wurde
gebaut und vor zehn Monaten ein modernes Löschfahrzeug
in Dienst gestellt. Überhaupt kann er mit der
Ausstattung der Feuerwehren in seinem ehemaligen
Abschnitt zufrieden sein. Da seien andere im
Burgenlandkreis viel schlechter dran.
Insgesamt hat Gisbert Schendel nun aber mehr Zeit für
die Familie und das Grundstück, kann sich um Schafe,
Enten, Hühner, Gänse und Ziervögel kümmern, die seine
vierjährige Enkelin Helene so mag. Vielleicht tritt sie
ja mal in Großvaters Fußstapfen, denn von seinen eigenen
drei Kindern habe er keines für die Feuerwehr begeistern
können. "Sie haben wohl zu oft mitbekommen, wenn ich
nachts raus musste."