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Als Kind wollte ich immer wie ein Indianer sein. Deren
nach außen dargestellte Gleichgültigkeit hat mir immer sehr gefallen. So
ging ich z. B. unheimlich gern zum Zahnarzt. Es bereitete mir immer große
Freude, diesen Berufssadisten meine totale Emotionslosigkeit zu
präsentieren!
In der Sommerpause erinnerte ich mich daran. Merkte, dass ich diesem Ideal
einige Male nicht treu war. Bei der Geburt meiner Kinder muss ich wohl ein
Bild des Schreckens geboten haben. Auch mein Auftreten als Fan vom TSV war
nicht gerade von äußerlicher Gelassenheit geprägt. Das muss sich nun ändern:
Letzte Spielersitzung vorm Saisonstart. Peter redet, höre ihm gerne zu.
Andere reden auch. Gewinnen neuen Fan aus München. Er ist Deutschlehrer, ich
schon 35. Bin fasziniert, komme erst spät in der Früh zur Ruh.
Auftakt in Frankleben, kriege vom Spiel nicht allzu viel mit. Der Kampf um
die Sitzplätze erfordert meine ganze Aufmerksamkeit. Muss auf das
Heimpublikum aber einen unnahbaren Eindruck gemacht haben, mich lies man
nämlich in Ruhe. Abends der Geburtstag meiner Frau. Alles auf dem Grill
gelingt, strahle sicher äußerste Ausgeglichenheit aus. Guter Tag!
Spielersitzung Donnerstag, bekomme meinen ersten TSV-Trainingsanzug. Lasse
mir meinen Stolz nicht anmerken, höchstens ein kleines Lächeln.
Sonntag gegen PSV Halle, die totale Emotionslosigkeit. Ich bestaune die
Fitness der meisten Spieler. Freue mich, Gisbert zu sehen. Wenn auch nur aus
der Ferne. Bin die totale Ruhe zur Halbzeit, andere sollten sich an mir ein
Beispiel nehmen. Zehn Minuten vor Schluss vier Tore Rückstand. Denke, wir
bleiben auch im Falle eines Abstiegs Freunde. Etwas später schwitze ich.
Nico macht dann noch so’n Tor. Er denkt sich sicher: geht nicht, gibt es
nicht. Spiel vorbei - die Mannschaft feiert mit ihren Fans. Ich sitze so
rum, kann mich irgendwie nicht bewegen. Endlich kümmern sich die Spieler
auch um mich. Sehen besorgt aus, wollen mich stützen. Ich lehne dankend ab,
versuche mein erhabenstes Lächeln. Scheint aber nicht ganz zu klappen. Wo
ist eigentlich Franzi? Sie könnte ruhig auch mir einmal helfen.
Danach vor der Halle: Ronny kümmert sich rührend um mich, hält mir mein
Bier. Ich habe mit der Zigarette genug zu tun. Doch eigentlich bin ich ja
die Ruhe in Person, will Gleichgültigkeit demonstrieren. Es gelingt mir
auch, bis auf die zittrigen Hände und die vereinzelten Zuckungen im Gesicht.
Komme nach Hause, freue mich auf italienisches Abendessen. Die Freundin
meiner Frau ist da. Alle vier Kinder streiten um einen Lolli. Schnell in die
Wirtschaft, esse deutsche Fischbrötchen. Trinke schon seit drei Bieren mein
letztes. Da reden Leo und Ecki übers Einschlafen. Brauch ich nicht, kann ich
eh nicht.
Morgens schlaflos auf Arbeit. Darf den ganzen Tag kärchern. Produktwechsel
nennt sich das in der Chemie. Bekomme den Geistesblitz, die bisherigen
Erfolge meiner gefassten Außendarstellung aufzuschreiben. Möchte ja später
mich meiner Taten erinnern dürfen. Hocke beim Grübeln auf die Lanze des
Hochdruckreinigers gestützt, so wie es ein Indianer im Wald tut, wenn er mal
Groß muss. Und grübele. Fühle mich beim Grübeln beobachtet, springe auf.
Erwische den Abzug. Nasskalt wird’s im Schuh. Falle dann in der Kantine
durch angeblich geistige Abwesenheit auf. Pah, meine totale
Emotionslosigkeit wird mal wieder völlig falsch interpretiert!
Abends zu Hause bereite ich uns ein köstliches italienisches Mahl. Liebe
geht ja bekanntlich durch den Magen. 20:00 Uhr: Schlaf !!!
Auf Arbeit darf ich wieder kärchern. Soll besser zuhören, wenn mir etwas
erklärt wird. Muss alles vom Saubermachen sauber machen.
Mittwochabend, Alex Enke kommt. Sieht meinen Trainingsanzug. Ich lächele.
Spielersitzung Donnerstag, Gisbert ist da. Ganz nah. Bringt Fanpost aus
Frankreich mit. Nun ist er unser Generalsekretär. Ronny fragt mich, ob’s mir
wieder besser geht. Käse!
-1-
Sonntag Nachtschicht, erfahre 19:05 Uhr das Ergebnis von Naumburg. Bedenke,
wir spielten gegen den Spitzenreiter, bin also nicht unzufrieden! Lasse mir
unsere Tabellensituation durch den Kopf gehen, verliere dabei etwas die
Konzentration. Knalle mit meinen Rippen gegen einen aus der Wand ragenden
Bolzen. Habe für die nächste viertel Stunde keine Atmung mehr. Wieder einmal
in der Hocke spähe ich wie ein aufgescheuchtes Kaninchen nach schaulustigen
Kollegen, habe aber Glück. Meine Frau tröstet mich nach Feierabend, ahnt ja
nichts von meinem Indianerkult. Tut unheimlich gut!
Zum Spiel gegen Weißenfels bin ich wieder auf Schicht. Lass das gar nicht an
mich heran. Soll ich doch letzte Saison nach einem Derby wie diesem meinen
Emotionen freien Lauf gelassen haben. Wurde angeblich beim Schunkeln und
Turbine-Fahne schwenken in der Wirtschaft gesehen. Geht ja gar nicht, würde
mich ja sonst daran erinnern! Eine gewisse innerliche Genugtuung über
gewonnene Punkte. Sicher. Aber doch keine emotionalen Ausraster. Bitte nein.
Nach der Feierabendsirene sprinte ich zum Auto. Bewege es in dessen
Grenzbereich Richtung Heimat. Richtung Wirtschaft. Springe heraus. Erfahre
das schlimme Ergebnis. Bewahre meine innere Ruhe. Versuche diese auf die
Anderen zu übertragen. Ein paar Durchhalteparolen, mehr kann ich meinem
Feingeist jedoch nicht entlocken. Der Charme meines bis dahin
veröffentlichten Tagebuches verpufft völlig. Das zieht mich eigentlich am
meisten unter. Merkt aber keiner!
Auch ein Häuptling reitet sein Pferd in der Not sehr hart und kann dennoch
vor einem Trümmerhaufen stehen. Nur gibt es für ihn niemals einen Grund,
emotional überzureagieren!
Zum Spiel in Merseburg gegen die Bunesen (ein komischer Indianerstamm,
zumindest dieser Name!!!) bin ich anwesend. Relaxt und voller Zuversicht
sehe ich den schon gewonnen Auswärtspunkten entgegen. Was soll hier schon
anbrennen, wo wir doch die Besseren sind. Bringt mich doch dann die Hektik
in den Schlussminuten der Partie noch einmal in Wallung! Merkt zwar wieder
keiner, kann aber eigentlich nicht sein. Brauchen „meine“ Jungs etwa immer
diese Aufreger? Können Sie sich denn an mir kein Beispiel nehmen? Mit einem
souveränen Auftreten unnötige emotionale Erregungen vermeiden. Darum geht es
doch. Das beherrsche ich. Na jedenfalls fast: Madlen sagte mir in der
Halbzeit, sie wäre schwer begeistert von meinem Tagebuch gewesen. Da könne
ich mehr daraus machen, auch für mich. Sagt Sie. Ich stelle mich natürlich
bescheiden bis dumm. Doch innerlich, gleich unter meiner Hautoberfläche,
brodelt es. Ich balle die Fäuste, sicher nur in meinen Gedanken. Beschließe,
das Dokumentieren meiner hervorragenden emotionalen Ausgeglichenheit
weiterzuführen und es Euch am Saisonende unter die Nase zu halten. Damit Ihr
einmal seht, was Souveränität eigentlich ist.
Der erste und auch schwere Saisonteil liegt hinter Euch und mir. Mit
durchwachsenem Erfolg. Wirkliche emotionale Entgleisungen konnte ich an mir
nicht feststellen, dass stimmt mich noch zufriedener als ich ohnehin schon
mit mir bin. Unsere Tabellensituation ist den Umständen entsprechend ganz in
Ordnung. Der WHV reitet allen voran, da brauchen wir uns über das Derby gar
nicht so zu ärgern. Ich hole mir jetzt die nötige Kraft aus dem Urlaub mit
meiner Familie, die Herbstferien kommen da genau richtig.
Wir fahren auf den Darß. Sechs Nächte sind gebucht. Nach dreien sind wir
wieder heim. Waagerechter Regen, sicher die beste Umschreibung für unser
Urlaubswetter an der Ostsee. Hier herrscht dagegen bester Altweibersommer.
Traumhafte Gegenden um Goseck, Lützen und Bad Kösen. Warum fahren wir
eigentlich immer so weit weg?
Zerbst. Zerbst im Herbst. Zerbst kommt und soll uns dringend gebrauchte
Punkte spenden. Zerbst will das aber nicht so recht. Müssen bis ganz zu
Schluss auf den erhofften Sieg warten.
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Obwohl wir richtig geführt hatten, mit sechs Toren und so. Aber hier mag man
es ja immer mit etwas mehr Aufregung. Und so komme ich auch noch ordentlich
in Wallung. Obwohl ja alles ganz easy war. Selbst das TSV-Babyfoto verlief
ganz ohne Aufreger. Dachten wir doch vorher, das wird nie funktionieren.
Jedes Kind krabbelt bestimmt in eine andere Richtung. Aber: man nehme seinen
Sprössling auf den Arm und schon läuft alles nach Plan. Außer vielleicht,
dass nun viel zu viele Erwachsene auf dem Pampersteamfoto abgebildet sind.
Die Zweite spielt nach Zerbst Ihr kleines Derby gegen Großkorbetha. Liegen
zur Halbzeit knapp hinten. Puschen unsere Truppe dann wie die Blöden mit
Pauken und Trompeten. Siehe da, so einfach kann es gehen. Ein durchaus noch
souveräner Sieg war das!
Abends stehe ich mal wieder am Grill. Beim Nachbarn, als ob die das nicht
selber könnten. Warum zieht es mich immer zu den Flammen? Sicher wieder mein
Indianerkult. Oder sollte ich sogar einige Gene in mir haben. Bestimmt.
Schließlich komme ich an einer Feuerstelle (so klein diese auch sein mag)
immer total zur Ruhe. Kann völligen Einklang mit mir selber finden. Bin
emotional absolut ausgeglichen! So muss das sein!
Am folgenden Samstag gehe ich mit Frau und unseren beiden Kleinen zur
Geflügelausstellung auf Wollis Saal. Haben sogar ein Karnickel (?) gesehen!
Kräht doch da so ein riesiger Hahn meinen kleinen Jakob an. Dieser kriegt
einen richtigen Anfall - wir gehen. Also, viel hat der Kleine nicht von
seinem Vater, innere Ruhe und so. Da gibt es noch viel zu tun für mich, von
wegen totale Emotionslosigkeit und so…!
Beim Gehen treffen gerade die Handballer ein. Geschickt eingefädelt nenn ich
das. Ich bleibe. Sitze links von Mirco. Dieser schmeißt sein enormes
Colaglas um. Ich, nun wie immer um Souveränität bemüht, sehe dies und bin
schon weg. Kein übertriebener Hechtsprung, keine panikartige Reaktion. Nein,
ein gekonnt kontrolliertes Hinweggleiten vom Tisch und aus den Stuhl. Den
Genossen am Tisch klappt die Kinnlade runter. Nicht wegen der Sauerei, nein
tatsächlich mal wieder wegen mir. Muss aber nicht sein. Meine Überzeugung,
von in mir doch vorhandenen Indianergenen, verstärkt sich weiter. Ich sitze
da wie alle anderen auch. Bin aber ständig voll konzentriert, sehe und höre
alles. Sicher mehr als manch anderer. Und strebe natürlich immer die totale
Ausgeglichenheit an. So ist der Kopf natürlich frei für solch spektakuläre
Reaktionen. Spektakulär in Euren Augen vielleicht. Für mich muss das die
Realität sein. Jeden Tag aufs Neue! Wie soll ich sonst meinen Anspruch
halten, emotional total ausgeglichen zu sein. Und stellt Euch mich einmal
mit einem klebrig nassen Schritt in der Wirtschaft vor. Zeugt das von
Souveränität? Bestimmt nicht!
Nachdem sich die Gemühter beruhigt haben und Mirco sein Gematsche
aufgeklaubt hat, können wir sogar noch über Handball reden. Mir wird der
schlechte Start ins Dessauer Auswärtsspiel geschildert, aber auch erwähnt,
dass noch richtig aufgeholt und prima gespielt wurde. Wir wären sogar
siegfähig gewesen. Schade, sag ich. Sage auch, sie sollen die positiven
Eindrücke fürs Heimspiel gegen Steuden konservieren. Hoffe das Beste.
Ecki zeigt mir noch seine Verletzung. Also ehrlich, wie der das so
wegsteckt. Ganz ohne Binde und Pillen. Der hat Potential! Müsste mal über
Indianer mit Ihm reden. Vielleicht spürt er auch etwas tief in sich drin.
Ich hab ja extra ein Sweatshirt an. Trotz der Wärme in der Gaststube. Hab
nämlich einen Verband um. Schleimbeutelentzündung im rechten Ellenbogen.
Zeig ich aber nicht. Könnte mir sonst vielleicht falsch ausgelegt werden.
War sogar beim Arzt und hatte eine Pille geschluckt! Nun ja…
Wieder Samstag, die Steudener sind da. Ich auch. Leider nur zwanzig Minuten.
Muss auf Schicht. Liegen mit drei Toren hinten. Kann mich natürlich nicht
voll auf meinen Job konzentrieren. Zu verunsichert bin ich durch den
Rückstand zum Zeitpunkt meines Verschwindens aus der Halle. Können die Jungs
doch nicht mit mir machen, denk ich. Gegen 21:15 Uhr erfahre ich endlich das
positive Ergebnis. Kann danach noch richtig viel Arbeit wegschaffen, meinen
Dank!
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Wieder Samstag. Komme von Schicht, Ihr von Radis. Na ja, in absoluter
Notbesetzung mit nur acht Toren verloren. Geht so, glaub ich. Bin in der
Wirtschaft, höre mir alles an. Sitze diesmal auf der Ofenbank, Mirco setzt
sich mir gegenüber. Hier komme ich nicht so schnell weg, denk ich. Hab aber
Vertrauen. Er trinkt Bier, das wirft er bestimmt nicht um!
Beschließen zu Rößlers an der Mühle zu gehen. Nancy hatte Geburtstag.
Schmeißt eine Fete. Werde vorzüglich behandelt. André sagt mir, er möchte
genau so werden wie ich ja schon lange bin. Die Ruhe in Person, abgeklärt
und souverän. Ich freue mich, vielleicht nach Ecki der Nächste im Bunde. Da
wächst etwas zusammen. Sehe uns am Feuer sitzen und ein großes Palaver
abhalten. Werden aus unserer inneren Ausgeglichenheit neue Kräfte schöpfen!
Werde danach noch zu Peter gefahren. Es ist ebenfalls Party. Bin auch hier
nicht eingeladen, denke aber, dass geht sicher in Ordnung. Madlen ist eine
charmante Gastgeberin. Kann mit Peter intensiv über Handball reden, bin sehr
erfreut. Michél bringt mich dann nach Hause.
Wieder einmal sehr spät in der Früh. Wieder einmal recht knülle. Wieder
einmal mit viel zu viel inhalierten Zigaretten. Dabei weiß ich doch:
Feuerwasser hat meinen Vorfahren den Untergang gebracht. Sie wurden
beeinflussbar und käuflich. Der Niedergang einer stolzen Nation. Ich bin
übrig, sollte also das Gesicht meiner Väter nicht vergessen! Und dann das
Gerauche. Friedenspfeifen waren ein guter Brauch. Aber das Schachtelweise
wegqualmen von Glimmstängeln vergewaltigt diese tiefsinnige Tradition. Ich
meine, selbst unser Vaterland hat die Zigarette wieder auf den Status einer
Friedenspfeife gehoben (verbunden mit einer kleinen Abgabe an den Fiskus
natürlich). Doch laut Statistischen Bundesamts rauchen seitdem ca. 8%
weniger Friedenswillige. Schon komisch…
Für mich jedenfalls müssen die alten Werte wieder mehr Gewicht bekommen. Ein
zwei Bierchen. Auch einmal ein Zigarettchen, ja. Mehr aber nicht. Ecki hat
mich vor Jahren einmal beim Rauchen beobachtet und war erstaunt, dass man
das wohl richtig genießen kann. Dahin muss ich zurückkommen. Nicht dieser
zügellose Konsum von Suchtmitteln. Genuss ist angesagt. Auch eine Sache
meiner Außendarstellung, ich hab zu tun!
Sonntags drauf, Tabellenführer Roßlau war zu Gast. Das sind Sie nun nicht
mehr. Mit der angeblich besten Saisonleistung von Mannschaft und Fans wurde
die junge Truppe zerlegt. Ich kann unsere Leistung nicht beurteilen, war mal
wieder auf Schicht. Leider verletzte sich Frank schwer, tut mir leid. Auch
Uhle tat sich tags zuvor bei der Zweiten weh. Hoffe, dass beide mit eisernen
Willen schnell genesen. Nicht nur des Sports wegen. Solche Zwischenfälle
sind im persönlichen Bereich der Betroffenen immer eine große Belastung.
In die Wirtschaft trudeln nun langsam alle ein. Jeder fragt, wo ich gewesen
sei. Ich sage, auf Arbeit war es auch schön. Mirco, einer der Helden des
Tages (hat 28 Bälle abgewehrt; manche sagen ja auch: „hat 28 Tore gehalten“;
für mich der größte Blödsinn! Man kann die Torwurfe Wegfangen. Ja, aber Tore
kann man nicht halten! Es sei denn, ein Kasten kippt wirklich einmal um.
Dann, mit der nötigen Reaktionsgeschwindigkeit, kann man das Tor tatsächlich
halten, so dass es nicht aufs Parkett knallt. Aber 28-mal in einem Spiel? Da
wäre etwas faul will ich meinen!) sitzt wieder in meiner Nähe. Habe nun aber
vollstes Vertrauen. Hält sein Bier und später die Cola auch gut fest!
Ecki hat auch schon wieder mitgespielt, trotz plitzblauen Arms!
André sagt, er hätte sich letzten Samstag mit seinen Äußerungen zu meinen
Indianerkult in die Nesseln gesetzt. Find ich überhaupt nicht. Ich hoffe, er
zieht das mit uns durch! Er könnte ja einfach damit anfangen, mehr Willen
und Freude für seinen Einsatz in der Ersten zu entwickeln. Dann sehen wir
weiter. Ich stehe Ihm gerne beratend zur Seite.
Mit dem Bier geht es an diesem Abend in Ordnung. Nun gut, man hätte sich
durchaus ausreichend von den vielen Schwarzlackierten ernähren können. Die
Wolf – Geschwister gaben auch je einen Stiefel, hatten irgendwie ein
schlechtes Gewissen?! Aber das Gequalme! Am Anfang war wirklich der Genuss,
doch dann wieder die totale Sucht. Es hätte gereicht, den blauen
Kneipendunst zu inhalieren!
- 4 -
Sonntag, die Inge trifft aus Köthen ein. Zeigt den Daumen nach unten.
Versteh ich nicht. Verloren? Wieso? Ach, mit einem Tor. Nee, gibt’s doch
nicht. Die anderen kommen auch. Bin echt etwas traurig. Dachte wirklich, vom
Letzten bringt Ihr die Punkte mit Heim.
Nico hilft mir bei der Betreuung einer brennunwilligen Kerze. Nun kuck, noch
einer, welcher sich zum Feuer hingezogen fühlt. Muss ich mir merken. Werden
uns zu gegebener Zeit sicher mal darüber unterhalten. Denk ich.
Dann kommt der Hammer. Und die Erleuchtung. Ich fühlte mich ja schon seit
längerem zu Euch Handballern hingezogen. Ihr scheint harte Jungs zu sein.
Steckt vieles besser weg als normal Sterbliche. Hier fand ich eine
Gemeinschaft, wo ich glaubte, mich weiterentwickeln zu können. Mein ganzes
Streben nach emotionaler Stärke und totaler äußerlicher Ausgeglichenheit
wäre doch in einer Gruppe von Nullen und Versagern gar nicht möglich! Im
Prinzip sind wir uns da sehr ähnlich. Nur dachte ich immer, Euch dies erst
bewusst zu machen, Euch vorsichtig erziehen zu müssen.
Doch der Kuckuk hält schon wieder in der Zweiten, ohne dass ich groß etwas
davon weiß. Uhle und Frank stecken Ihre schweren Verletzungen recht gut weg.
Und Pannjo hat sich bestimmt bei seiner (höchstwahrscheinlich) ersten
Vaterschaft auch ganz rühmlich angestellt.
Aber dann, an diesem Sonntag nach Köthen sitzt er neben mir. Erzählt vom
Spiel, von den Schiedsrichtern. Alles auch mit einem gewissen (Galgen)-humor.
Sicher ein Zeichen, wie hart er zu sich selbst ist. Wie sehr er auf sein
äußerliches Auftreten bedacht ist. Alles mir wohlbekannte Tugenden. Und so
ganz nebenbei berichtet er von seinem ausgekugelten Finger, den er sich dann
so eben mal beim Zurücklaufen wieder eingerenkt hat.
Mir knallt die Kinnlade bis auf den Tisch. Und wäre dieser nicht gewesen,
hätt’ ich sie auf die Füße gekriegt! Da ist er also, der Führer meines sich
langsam entwickelnden Stammes. Fühlte ich mich doch selber dazu berufen,
sehe ich nun, wie erbärmlich meiner Eins neben dieser strahlenden Gestalt
von emotionaler Härte und erhabener Ausgeglichenheit daher kommt! Der Mann,
welcher schon jetzt die Truppe zu siegen führt und bei Niederlagen sich
schützend vor sie stellt. Meine Suche hat ein Ende:
Peter, wir müssen reden!!!
Aber es gibt auch sonst noch viel zu tun. Die Silvesterplanung läuft seit
Wochen auf Hochtouren, nur weiß man immer noch nicht, wo man überhaupt
feiert. Weiterhin wird fieberhaft an der Beantwortung des Schreibens eines
Jungen aus Frankreich gearbeitet. Dieser hatte schon vor Saisonbeginn zu
Recht festgestellt, dass Gisbert unser Generalsekretär sei.
Wieder Sonntag, ich bin endlich einmal wieder bei einem Spiel anwesend!
Wolfen, der Tabellenletzte ist da und soll es auch bleiben. Denkt sich
zumindest unsere Truppe und schickt sie wieder nach Hause. Die Punkte
bleiben gleich hier, sagt sich auch Kevin. Trat ein bisschen gierig seinen
Gegnern gegenüber.15 Tore sind wirklich zu viel. Bescheidenheit ist auch
eine Tugend, welche wir uns noch aneignen müssen!
Donnerstag, Spielersitzung nach dem Saalschmücken. Alle sind gedanklich
schon bei der Weihnachtsfeier. Handball gerät in den Hintergrund. Merkt man
eine gewisse Müdigkeit? Nun ist ja auch bald etwas Pause über den
Jahreswechsel.
Franzi bringt die „Größe“ Ihrer Ohren ins Spiel. Die sind ja wirklich sehr
klein. Etwa halb so groß wie die von Gisbert. Nicht weiter schlimm, denk
ich. Dann erzählt Sie mir, Ihre Mama sagt immer, dass Franzis Ohren eben
schon von Geburt an die jetzige Dimension hatten. Nun sieht die Sache schon
etwas anders aus! So klein wie sie jetzt sind, umso gigantischer müssen
diese ja im Säuglingsalter gewesen sein. Und wenn ich da an die Geburt
denke. Es war bestimmt nicht einfach, diese damalige Überproportionierung
ans Tageslicht zu befördern!
Samstag drauf. Vor der Weihnachtsfeier fahrt Ihr noch schnell rüber nach
Wittenberg. Um die Punkte abzugeben. Geht das nicht als Briefsendung auch
billiger? Kevin ist diesmal recht zurückhaltend. Nun ja, er muss wohl noch
lernen zu erkennen, wo Bescheidenheit angebracht ist und wo nicht.
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Gefeiert haben wir trotzdem. Gab ja auch wirklich Grund dazu. Der Boss war
seit langem wieder anwesend. Ein Verdienst von Ecki und seinen Helfern! Auch
wird die vergangene Saison unserer Teams gewürdigt, zugleich aber der
Verlauf der aktuellen Spielzeit realistisch und kritisch eingeschätzt. Dass
die Trainingsbeteiligung zurzeit mies ist, wird leider vergessen. Der Doktor
bringt mit seinen Mitstreitern ein kleines Ständchen. Der ganze Saal hängt
förmlich an Ihren Lippen. Davon bitte in Zukunft mehr! Doch wo war der
Eierlikör?
Der Partyhöhepunkt ist erreicht, als bekannt wird, dass der WHV vom
Tabellenführer im Oktober zum Schlusslicht am heutigen Hinrundende der
Verbandsliga mutiert ist. Ich lege wie immer bei diesem Thema (wie immer
aber auch völlig umsonst) mein Veto ein. Ich meine, so ein freier Fall ist
schon unglaublich. Trotzdem fehlt mir die Lust, mich an dieser Misere zu
erfreuen. Ich sehe, wir überwintern auf Platz neun, drei Punkte vom
„geliebten“ Derbypartner entfernt. Ein Nichts sage ich mir und allen anderen
auch. Hilft nicht viel, unser Erfolg wird halt immer über den Misserfolg der
Weißenfelser definiert. Schade eigentlich.
Es gibt aber auch viele Skeptiker und zu selbstkritische Leute unter uns an
diesem Abend. Ich versuche jene mit dem Hinweis zu ermuntern, dass ein neues
Jahr immer besser wird als das alte. Und so schlecht war das nun vergehende
Jahr wirklich nicht! Außer für unseren Christian Kuckuk vielleicht. Nach
seinen Rückenproblem und einer kurzen Spielzeit in der Zweiten nun diese
Knieverletzung! Hier kann ich nur alles alles Gute wünschen und Kopf hoch.
Aber er ist Manns genug, so hab ich den Eindruck. Er schafft das schon. Nun
gibt es nach dem Luxusproblem in der letzten Saison ein akutes
Torwartproblem zum Start ins neue Jahr.
Für mich auffällig war an diesem Abend und frühen Morgen noch Daniel Kühling.
Auch er ein sehr selbstkritischer (und werdender) Mann, wenn auch ein wenig
überzogen, dass ganze. Versuche auch Ihn aufzubauen, verlieren uns dann aber
aus den Augen. Doch sieh an, früh um drei sitzt er in der Runde. In sich
versunken. Seinen inneren Frieden findend. Man kann es förmlich sehen. So
ist’s richtig! Die Ruhe kommt von Innen. Die Außenwelt muss auch mal an
einem abprallen. Der richtige Weg zur emotionalen Ausgeglichenheit. Weiter
so Daniel!
Am nächsten Tag schlafe ich erst einmal richtig aus…
Die Weihnachtszeit verbringe ich ganz ohne Handball. Silvester bin ich in
gemütlicher Runde zu Hause. Es gibt Rotkrautpfanne mit Wildschweinhack. Dazu
einen 2003er Chardonney aus Rheinhessen. Gut. Den Abend darf mich dann ein
gut dekantierter 2001er Dornfelder Barrique von der Mosel begleiten. Ihr
habt Euer Organisationstalent voll ausgeschöpft und feiert in Posendorf.
Unser Wolli war nicht so begeistert, hörte ich.
Fünf vor zwölf der obligatorische Blick ins TV. Um die Zeit nicht zu
verpassen. Dort läuft immer so’ne Uhr und die zählen dann alle ganz laut
mit. Diesmal doch bin ich etwas angefressen. In Südasien regiert seit kurzem
das totale Elend und unsere „Öffentlich Rechtlichen“ frönen der Polonaise.
Für mich einmal wieder ein Grund, sich bewusst zu werden, wie gut es uns
eigentlich geht. Wir denken über die Art einer Spende nach. Knallen tun wir
nicht!
Neues Jahr, neues Glück. Ich bin gleich wieder auf Arbeit zurück. Stell mich
mal wieder auf die Waage. Zum ersten mal dreistellig! Mir geht’s wirklich
gut. Oder vielleicht doch nicht?
Bezogen auf meine Körpergröße wiege ich (in je ein Zentimeter dicke Scheiben
geschnitten) knappe 600 gr/cm. Klingt wenig. Rechne ich aber meine
Gliedmaßen (außer meine recht strammen Waden freilich), Kopf und Hals
heraus, kann so eine Bauch-Hüftscheibe durchaus 5 – 6 kg wiegen. Gott oh
Gott, dass klingt dann wirklich viel!
Nun gab ich ja beim Einzug in diese schöne Gemeinde die Jagd nach dem
weiblichen Geschlecht auf. Auch wollte ich noch nie Modeln. Und unterdessen
sehe ich meine Stärken im Verein viel eher im agitatorischen Bereich als auf
dem Spielfeld.
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Also, geht es mir nun gut? Natürlich! Ich sehe mich (im wahrsten Sinne des
Wortes) als Fels in der Brandung. An meine Masse kann sich meine Familie
anlehnen. Ausruhen in Zeiten des Gegenwindes. Verstecken bei Gefahr. Sich
vor mich stellen, um sich zu repräsentieren. Hier bin ich und hier halte ich
euch auch fest. Dazu noch meine totale emotionale Ausgeglichenheit, was will
man mehr?
Lehne Dich auch Du, der dies hier liest, an mich an. Ich habe meine
Bestimmung gefunden. Und wenn mir dabei eine Waage behilflich war, so soll
mir das nur recht sein!
Der Rückrundenstart. Frankleben ist zu Gast. Fühlen sich recht heimisch und
hauen uns in die Pfanne. Na prima, ein Bombenstart ins neue Jahr! Ich bin 15
min vor Schluss zur Arbeit aufgebrochen. Mache mir die ganze Nacht Gedanken
über das Auftreten unseres Heimpublikums. Am Morgen nach der Schicht
informiere ich alle über meine Sorgen und unterbreite Lösungsvorschläge. Die
ganze Woche bedränge ich die Verantwortlichen mit diesem Problem. Donnerstag
zur Spielersitzung ist es dann doch kein Problem, meine Sorgen werden mir
erfolgreich ausgeredet.
Leider habe ich ganz vergessen zu beobachten, ob Ecki noch seiner Cola-Diät
treu geblieben ist. Meinte er doch: „Das nächste Bier gibt’s erst wieder bei
einem Sieg in der Verbandsliga!“. Ob er von dem Zuckerwasser jemals wieder
weg kommt? Da wird er sicher noch mehr kämpfen, als er es sonst schon tut.
Viel Glück jedenfalls!
Sonntag dann in Halle. Bekommen wieder eine Klatsche. Sebbi hat einen
Gipsfuß. Für mindestens 10 Wochen Pause. Sieht sehr deprimiert aus. Nun
mache ich mir aber wirklich Sorgen. Die Fans sind mir jetzt egal, die
Mannschaft ist nun das wahre Problem. Wir stecken endgültig im
Abstiegssumpf. Und das ohne Sebbi. Auch so bereitet mir der Zustand meiner
Lieblingshandballmannschaft Kummer. Irgendwie fehlt der Biss, der Pepp, die
Freude. Alles schaut sehr nach Zwang und Krampf aus. Tut mir leid, aber
dieser Eindruck drängt sich mir neuerdings auf. „Aber ja nicht auf der
Truppe rumhacken. Und unsere doch so guten Fans mit in den Abstiegskampf
einbinden!“. Das sage ich mir. Und bin bereit. Meine ganze Masse würde ich
einsetzen, wenn jemand von meinen Handballern nach Trost oder Windschatten
suchen würde wollen!
Daniel hat das sicher am allerwenigsten nötig. Ist er doch zum zweiten mal
Vater geworden. Als ich Ihn traf, strahlte er schon richtig Routine aus, ein
Vater durch und durch. Ob er noch weiter macht?
Am Sonntag gegen Naumburg-Stößen bin ich im Urlaub. Vorher gelingt mir der
wohl beste Willkommenstext für das aktuelle Heft. Motiviere hoffentlich alle
für dieses schwere Heimspiel…
… und rufe Sonntagabend bei den Jungs an, um das Ergebnis zu erfahren. Der
Hammer trifft mich voll! Wieder eine Heimschlappe. Und so deutlich. Das haut
mich echt um. Verliere im Laufe des Abends ungewöhnlich viele Partien
unserer Urlaubsabendunterhaltung. Solo. So heißt das Kartenspiel für die
ganze Familie. Die beste Spielidee der Welt. Steht auf der Verpackung. Wir
vertrauen diesem Slogan schon seit Jahren. Hat auch immer funktioniert.
Heute Abend ernte ich, sonst immer ein Kandidat für den Gesamtsieg,
mitleidige Blicke von Frau und großem Sohn (Die beiden kleinen Kindleins
schlafen ja schon lange. Sie kennen noch nicht einmal das Wort „Solo“!).
Meine Frau, ja die darf das. Zieht mich doch so oft aus den seelischen
Sumpf. Auch heute Abend versucht sie es wieder unermüdlich. Nur ergebe mich
heute all zu schnell dem Selbstmitleid. Kann mir das auch einer verübeln?
Und mein großer Sohn. Sitzt mir direkt gegenüber. An diesem Solo-Abend. Er,
ein erfolgreicher Handballer in der E-Jugend des WHV (!!!). Getraue mir
diese drei Buchstaben in eben dieser Reihenfolge kaum auszusprechen,
geschweige denn niederzuschreiben! Er, der Tabellenführer mit seinem Team.
Erfolgsverwöhnt mit gerade einem verlorenen Punkt in der laufenden Saison.
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Ob das einmal noch unser sonst so tolles Vater-Sohn-Verhältnis zum kippen
bringt? Hoffe ja nicht. Brauch sich ja nur etwas zurückzuhalten. Mit
irgendwelchen doofen Kommentaren und so. Und wenn, am längeren Hebel sitze
nun mal ich, der Vater! Würde schon sehen, was er davon hat. Den Vater und
seine Handballer zu veräppeln…
Im Solo gewinnt trotzdem er an diesem Abend. Na ja, was soll ich dazu sagen.
Wäre doch sonst nur der Spielverderber. Könnte nicht verlieren und so.
(Dabei habe ich mit Euch das Verlieren gelernt. War Spaß!!!) Ich werde vor
meiner lieben Frau Zweiter. Hat Sie sich etwa, nur um mich zu trösten, mir
neuen Antrieb zu geben, mich aus meinen tiefen Tal der Tränen heraus zu
hieven, im Spiel so sehr zurückgenommen, dass ich mich zwangsläufig noch vor
Ihr platzieren musste? Ich hinterfrage die Sache lieber nicht. Akzeptiere
meine Fitzemeisterschaft an diesem Abend. Mein Angriff auf den Tagessieg
würde schon morgen folgen.
Mich beschäftigt aber noch etwas anderes. Ich könnte mir vorstellen, dass
uns, wenn wir schon die Klasse nicht halten können, der WHV (wieder diese
drei Buchstaben in eben dieser Reihenfolge) und die Friesen in die untere
Spielklasse begleiten. Somit bleibt alles beim Alten. Wir treffen die
Prittitzer wieder und haben unsere Lieblingsgegner auch noch bei uns. Der
Rest der Liga interessiert doch eh nicht! Doof nur, dass die Franklebener
gerade jetzt wieder gewonnen haben. Hoffentlich kein Dauerzustand. Ehrlich
gesagt bin ich sehr gespannt, wie ich zu dieser heute (03. Febr. 2005)
verfassten Aussage nach dem Saisonende stehen werde. Behalte ich (leider)
Recht oder muss ich mir ketzerisches Benehmen vorwerfen lassen.
Bei der nächsten Spielersitzung konnte ich Eckis neue Trinkgewohnheiten
beobachten. Er scheint dem Vorsatz („Kein Bier bis zum nächsten
Verbandsligasieg“) treu zu bleiben. Zwar hat er seine Coladiät abgesetzt,
aber mit seinem neuen Getränk – Hefeweizen – macht er alles richtig.
Schließlich kann man dieses Gebräu wohl kaum als Bier bezeichnen!
So leid es mir tut, aber diese Veranstaltung am Donnerstagabend im Deutschen
Kaiser verdient seit längerem nicht mehr die Bezeichnung einer
Spielersitzung! Der Verlust dieses Anspruches geht einher mit der jetzigen
Erfolglosigkeit. Die paar Leute, welche nach dem Training den Stammtisch
aufsuchen, sind eh jene, die selbst am besten wissen, wo es lang geht und
sich dafür auch wirklich den Arsch aufreisen. Und was sich genau jene von
den zurzeit unzufriedenen Fans anhören müssen, macht die Sache auch nicht
besser. Ich weiß, die aller aller meisten sind durch Arbeit oder Dienst
verhindert, können einfach nicht zum Training kommen. Aber genau dies ist
das Unbefriedigende an der aktuellen Situation. Das „Im Team“ sein geht
derzeit verloren. Es erinnert an die Wertigkeit des Handballs im Leben eines
jeden einzelnen. Der Sport ist Hobby, mehr nicht. Andere Dinge haben
Vorrang, ganz klar. Und die kurze Zeit vor dem Spiel, wo Ihr Euch alle seht,
reicht kaum aus, den nötigen Teamspirit gedeihen zu lassen. Also vielleicht
nach dem Spiel? Kann mich gar nicht mehr erinnern, wann Ihr alle (samt
Frauen’s) nach einem Spiel die Kneipe so richtig bevölkert habt.
Bald ist das Derby in Weißenfels. Eine Chance, mit einer guten
Mannschaftsleistung (egal ob Sieg oder Niederlage) Euch zusammenzufinden.
Und nehmt Euch danach Zeit füreinander. Um wieder eine geschlossene und
kampfstarke Einheit zu werden! Ich hoffe es wirklich…
Nun ist aber bis dahin noch ein bisschen Zeit. Soviel Zeit sogar, seinen
Kopf einmal richtig frei vom Handball zu bekommen. Es liegt die ganze Zeit
Schnee. Für Familien mit Kindern etwas Schönes. Der Rest der Menschheit kann
darauf sicher verzichten! Meine Frau und ich beschäftigen uns überaus
intensiv mit dieser Angelegenheit. Beim Bau von Schneemännern, der Erzeugung
von Wurfgeschossen, den ersten Rodelversuchen mit unseren Kleinen. Wir
stellen eine sehr unterschiedliche Qualität des weißen Nass fest. Je nach
Alter der Flockenmasse, den Umweltbedingungen (Temperatur und
Luftfeuchtigkeit) schwanken die physikalischen Eigenschaften enorm. Wir
versuchen uns damit, diese Eigenschaften zu katalogisieren. So erhoffen wir
uns, mit wenigen Worten schon im Vorfeld abklären zu können, ob man mit den
gerade vorherrschenden Bedingungen einen Mann basteln oder lieber Rodeln
gehen sollte.
- 8 -
Aber das gestaltet sich schwieriger als gedacht. So stellen wir schnell
fest, dass es nicht nur Pulver – und Pappschnee, bzw. den Schneematsch gibt.
Wir analysieren auch wahnsinnig viele Zwischenstufen. Also, Babett entdeckte
z. Bsp. pulvrigen Pappschnee. Ich dagegen an einem anderen Ort, zu anderen
Bedingungen, pappigen Pulverschnee. In Richtung Luftschiff fanden wir wieder
pappig gewordenen Schneematsch. Stunden später, bei Dauerfrost verharschte
dieser dann auch noch…
Ich beendete alsbald diese Sorgen bringende Beschäftigung. Schließlich
rückte das Derby nun in greifbare Nähe. Die Nacht vor dem Spiel verbringe
ich in meinem Trainingsanzug. Natürlich im Bett. Zugedeckt. Vergesse die
Winterpracht. Das ist Schnee von Gestern.
Ich schwitze wie ein Schwein, mein Weib liegt schmunzelt
nebenbei!
Und dann war der Tag da. Ich hatte den letzten Aufeinandertreffen mit dem
WHV gar keine so große Bedeutung beigemessen. Diese Mal ist das anders. Die
zwei Kellerkinder, beide Teams recht verunsichert, ohne großes
Selbstvertrauen. Wer hier und heute doppelt punktet, kann sich einen großen
Schub holen.
Mir ist es wichtig, dass meine Männer eine gute Mannschaftsleistung bieten.
Selbst wenn wir verlieren, könnte man sich damit noch Selbstvertrauen für
den Rest der Saison holen. Und es soll Euch wieder Spaß machen, miteinander
zu spielen.
So geht es mir richtig schlecht. Aufgeregt, dreimal auf’m Topp und ab in die
Westhalle. Doch was ich da erlebe, ist schier der Wahnsinn! Da zaubert sich
ein eingespieltes Team durch die erste Halbzeit. So etwas hab ich ja schon
lange nicht mehr gesehen! Alles was Ihr macht und tut hat Hand und Fuß.
Doppelpässe mit dem Kreis, Tor. Dem Gegner entgegen gegangen, Ball
abgefangen. Der Mirco im Tor nimmt alles weg, dass es schon unheimlich ist.
Ich denke wirklich ich spinne! Unsere Fans machen einen Lärm, dass ist
unglaublich. Ich mittendrin, weiß gar nicht was ich machen soll. Mitsingen
oder Spiel genießen? Geht alles nicht. Bin völlig fassungslos über das
Reichardtswerber Ballett dort unten auf dem Parkett.
Zur Pause großes Erstaunen bei unseren Leuten. Wir merken, hier ist was zu
holen. Ich werde unheimlich ruhig, fast gelassen. Freue mich nur auf die
zweite Halbzeit. Und da macht Ihr nicht da weiter, wo Ihr aufgehört habt.
Nein, die Aggressivität ist weg. Dafür ein abgeklärtes Mannschaftsverhalten
von allerbester Güte. Ihr schaukelt das Ding ganz cool und mit schönstem
Spiel nach Hause.
Der WHV ist am Ende, kommt es mir in den Sinn. Die packen das nimmer. Weg
sind sie. Und wir?
Und ich? Ich entdecke etwas Neues bei mir. Die Fähigkeit, sich in aller Ruhe
jeden unserer Spieler anschauen zu können. Zu beobachten, was wer gerade
tut. Alles läuft in einer Seelenruhe vor meinem geistigen Auge ab. Euer Tanz
mit dem Ball, Euer Spiel mit dem Gegner. Ihr gebt mir so viel Sicherheit, es
ist absolut keine Aufregung von Nöten. Ihr macht das schon, weiß ich.
Und so bleibt mir Zeit, alles zu genießen, zu inhalieren, alles bewusst über
sich ergehen zu lassen. Ein ganz tolles Gefühl. Ich war wie im Trance. So
muss es den Medizinmännern ergangen sein, als diese sich für ein
Stammesritual mit den Wundern aus Geist und Natur in übersinnliche Sphären
erhoben. Seit sehr langer Zeit war ich also einmal wieder meinen nun doch
definitiven Vorvätern sehr nahe! Dank Eures überirdischen Spieles mit Ball
und Gegner. Ein starke Droge, will ich meinen.
Könnt Ihr Euch in einen Rausch spielen? Oder geht es nur mir so? Manchmal.
Vielleicht solltet Ihr Eure eigenen Fans werden. Mir bekommt diese Droge
jedenfalls hervorragend.
Und viel besser als damals. Zum Polterabend. Dort brachte mich ein Joint zu
einer recht eigenwilligen Interpretation eines Rauschzustandes. Mein Kopf
lag mit der linken Wange auf dem Tisch. Die Augen klotzten blöd. An meine
Muttersprache war gar nicht zu denken. Mit den Händen hielt ich mich
krampfhaft fest, um nicht abzurutschen. Es dauerte nur kurze Zeit, dann
verging es schon wieder.
- 9 -
Schließlich entleerte es mich völlig (…ist der Mensch nicht ganz gesund,
fällt ihm alles aus dem Mund!). Brauche ich wirklich nicht. Eure Spielweise
kann da eine deutlich erquickendere Bewusstseinserweiterung hervorrufen. Das
brauche ich wirklich!
Der Donnerstag danach. Nach dem Derby. Spielersitzung. Konnte man durchaus
als solche bezeichnen. Logischer Weise herrscht gute Stimmung.
Peter erzählt viel. Höre ihm immer noch gerne zu. Naja, manchmal stört mich
sein Sarkasmus. Torsten auch. Aber was ist denn das für Einer? Wettet sogar
gegen uns. Gegen Euch, Ihr Lieben! Ist das ein wirklicher Fan oder verdient
der sich mit Euren Niederlagen ’ne goldene Nase? Ich will jetzt nicht gegen
ihn hetzen. Vielleicht ist er nur ein wenig anders. Sonderbar halt. Warum
wird er denn eigentlich der „Glatte“ genannt? Wegen seiner Behaarung oder
seinem Geist?
Zur Geburtstagsfete bei der Inge bin ich offiziell eingeladen. Gehe trotzdem
hin. Nicole ist auch eine Klasse Gastgeberin. André von der Mühle gibt den
Showmaster. War wirklich überzeugend und lustig. Ehrlich!!!
Mitternacht rutscheln Frau und ich Heim, muss morgen früh raus. Da, wo Ihr
Heimspiel habt. Wie üblich!
Naja, habe wohl nichts verpasst. Die Fans kritisieren eine lasche Truppe,
ohne Biss oder Kampfeswille. Dementsprechend hoch fällt auch die Niederlage
aus.
Langsam kristallisiert sich der Abstieg heraus, da fast alle Anderen da
unten im Tabellenkeller punkten. Mir wird das langsam egal. Ich finde es
wesentlich wichtiger, dass allen die Freude an der Sache erhalten bleibt.
Wenn wir jetzt Frust schieben, bringt das auch nichts! Mit Spaß kehrt auch
der Erfolg zurück, da bin ich mir sicher. Nur liegt dies nicht mehr in
unseren Händen. Da müssen halt die Anderen mitziehen. Schau’n mer mal…
Klar, wir haben noch zwei Duelle gegen „Gleichgesinnte“. In Steuden und
gegen Köthen im Geiseltal. Ob da noch etwas geht. Ich lasse das lieber außen
vor, will keinen künstlichen Druck aufbauen! Für mich steht der Spaß an
erster Stelle und natürlich Geduld. Kann man dies unseren Fans glaubhaft
vermitteln?
Samstags drauf kommt Ihr aus Zerbst. Es ist immer noch Winter! Beim letzten
Duell war es schönster Herbst, nun herrscht immer noch tristes Weiß (mehr
oder weniger). Ihr ward gut, sagt Ihr. Bis fast zum Schluss mitgehalten.
Spielerisch und kämpferisch top. Dies freut mich. Dass die Punkte dort
bleiben, was soll’s? So eine Leistung müsst Ihr nun endlich mal wieder vor
Euren heimischen Fans zeigen. Das finde ich wichtig. Man kann verlieren,
doch die nun hohen Ansprüche der Zuschauer müssen befriedigt werden.
Schuld seid Ihr doch selber. Ihr habt über die letzten Jahre aus der
Geiseltalhalle eine echte Hölle gemacht. Mit Euren Fans Schlachten
erfolgreich gefochten oder manchmal auch gemeinsam untergegangen. Ihr seid
eine nahezu unschlagbare Einheit gewesen. Dieses Level jetzt zu halten ist
selbstverständlich sehr schwer. Ja was macht man denn da?
„Um die Moral zu heben, muss man die Ansprüche senken“!
… doch weiß jemand wie?
Und wieder ist mein Trainingsanzug ein treuer Begleiter. Ich wurde von einer
Grippe befallen. Mich zittert’s, mich friert’s, mir ist auch unter den
vielen Zudecken zu kalt. Da schlüpf ich halt in meinen Anzug rein. Ich weiß
gar nicht, wer von uns beiden, Anzug oder ich, der glücklichere auf dieser
Welt ist. Der Anzug, weil er in mir einen Nutzer gefunden hat, welcher Ihn
wirklich braucht und nicht nur zum promenieren spazieren trägt. Oder doch
ich, welcher von Euch als würdig befunden wurde, so ein edles Teil tragen zu
dürfen.
Und wie der sich anfühlt. Auf der nackten Haut! Herrlich flauschig und
kuschelig. Wie in Abrahams Schoß! Männers, tut das einmal Euren Frauens an!
Das bewirkt Wunder…
Sonntag kommt Dessau. Drei mal dürft Ihr raten, wo ich da gerade bin.
Richtig, auf Schicht. Diesmal zur Nachtschicht, deswegen beginnt Ihr auch
erst 17:00 Uhr, damit ich ja nichts zu sehen bekomme! Danke auch.
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Aber ich hab schon einmal voraus geschaut. In Steuden und dann zu Hause
gegen Radischen bin ich endlich wieder dabei. Und zwischendurch ist
Osterfeuer. Kann ich auch. Und zu Himmelfahrt bin ich auch da. Sowie beim
Sportfest. Nur leider bei dem, was Ihr wirklich könnt, weswegen ich so
anhänglich wurde, da hapert es mit der Organisation. Ob der Zinke meinen
Schichtplan bei der Saisonplanung dabei hatte? Wollte der gute Mann mir eins
auswischen? Denkbar wäre dies, setzt er doch auch Schiedsrichtereinsätze für
Euch zeitgleich mit den Spielterminen an…
Sonntagabend nun erreicht mich die Nachricht vom Spiel gegen Dessau recht
schnell. Aber auch wieder kein zählbares Ergebnis. Ich bekomme zwar gesagt,
dass Ihr Pech hattet, aber trotzdem gut gespielt und toll gekämpft habt.
Hoffentlich waren die Fans einigermaßen zufrieden, denke ich. Wer zu Hause
über 30 Tore schießt, sollte die Partie eigentlich gewinnen. Dass die
Dessauer über 40-mal einlochen, konnte ja schließlich auch keiner erahnen!
…und dann ist es Frühling! Der Schnee ist in Stunden (!) geschmolzen. Die
Erde bricht auf. Die Morgenvögel besingen den kommenden Tag. Und ich endlich
wieder auf meinen Rad. Früh nach der Nachschicht. Im Zwielicht des
anbrechenden Morgens. Da rolle ich von Schicht nach Hause. Lasse mir den
Kopf frei blasen vom nächtlichen Stress. Und alles ohne die Sonne: Denn war
sie im Porsche noch angenehm (man wurde ja schließlich gesehen), nimmt sie
einem auf dem Rad jegliche Anonymität. Diese Symbiose zwischen Nabe und Wade
ist eine ganz besondere Sache, nämlich eine private!
Endlich fühle ich wieder mit meinen Vorfahren. Allein in Wald und Flur.
Seinem ICH nachhängen. Neue Kraft aus der Ruhe schöpfen. Seinen Geist
befreien von all der unnützen Last, welche sich im Umgang mit anderen
Menschen so angesammelt hat. Ich schaue zum Horizont, erahne die aufgehende
Sonne und bin bereit für den Tag, für die nächste Tat.
Und das solltet auch Ihr sein. Stehen wir doch vor der alles entscheidenden
Schlacht in der Hühnerfarm zu Steuden. Die Weißenfelser haben sich nun schon
offiziell aus der Verbandsliga verabschiedet. Wir sind jetzt kurz davor.
Geht es auch in Steuden schief, wissen wir woran wir sind. Gewinnen wir,
müssen wir weiter bibbern. Ich bin gespannt, welcher Weg der unsrige wird.
Nur gemeinsam beschreiten müssen wir diesen, so ist mir nicht bang!
So dann auf nach Schafstädt, den Hühnerhaltern zwei Eier abkaufen. Doch
daraus wird dann leider nichts!
Ich gehe ja recht objektiv an die Spiele heran. Versuche aus Gründen der
Selbstbeherrschung die Partien neutral zu beobachten. Aber hier habe ich
ganz deutlich das Gefühl, verschaukelt worden zu sein. Vielleicht bin ich ja
ein wenig naiv, aber meine Vorstellungskraft reichte einfach nicht aus, um
sich einzubilden, es würden schon im Amateurbereich Spiele manipuliert
werden. Doch genau dies taten die Schiris. Dadurch artete das Ganze dann
dermaßen aus, so das extrem angestaute Emotionen zur Entladung kamen, was
sehr unschöne Szenen provozierte.
Und warum tue ich mir das an, wo wir doch schon wieder verloren haben? Ganz
einfach! Weil es absolut mitreisend war, wie sich die Truppe gegen die
drohende Niederlage stemmte. Nachdem der Schock um Peters Ausfall (incl. 6
Gegentreffern in Folge) verdaut war, konnte gerade er seine Truppe zu einer
Schlussoffensive anpeitschen, dass es eine wahre Freude war. Auch der
brutale Ausfall von Frank hinderte Euch nicht daran, einen unmöglich
erscheinenden Rückstand wettmachen zu wollen. Gegen die „feindliche“
Mannschaft, deren Heimhalle und diesen Pfeifen von Schiris!
Wir haben diese Saison zwar nicht heute gegen Steuden verloren, aber es war
wirklich das wegweisende Spiel. Jetzt stehen alle Zeichen auf Abstieg, weil
es allem Anschein nach schon im Vorfeld beschlossene Sache war!
- 11 -
Abends geht’s gleich weiter zu Nachbars, Geburtstag nachfeiern. Mein Unmut
über die Art der menschlichen Existenz und dessen Sinn für Sport und
Gerechtigkeit hält mich sogar davon ab, dem Feuer am Grill beizuwohnen. Zu
tief sitzt die Enttäuschung über das erst erlebte Debakel von Fairness und
Wettkampf, als dass ich meinen Urinstinkten folgen kann, der wärmenden Glut
zu frönen. Ich hoffe inständig, dass mir Eure Herzlichkeit am Ostersamstag
diese Verlangen zurück bringt. Ihr seid die Guten, ehrliche und aufrichtige
Kämpfer! Dort am Osterfeuer will ich wieder meinen Frieden finden können.
Im Nachhinein, jetzt drei Tage nach den oben verfassten Zeilen schäme ich
mich dieser. Ich bange um meine mentale Ausgeglichenheit und einige von Euch
leiden doch wesentlich mehr an den Folgen des Zusammentreffens mit den
Steudenern Eierfarmhaltern! Ecki war drei Tage im Krankenhaus, Frank
Eichardt kann kaum laufen, geschweige denn gerade stehen. Die Inge ist am
ganzen Oberkörper plitzeblau und Peter sagt zwar, ihm gehe es gut. Aber wer
seine Nehmerqualitäten (siehe ausgekugelter Finger) kennt, weiß was er von
seiner Aussage halten muss.
Ich bin schon die ganze Woche über richtig angefressen wegen dieser echten
Schweinerei, die da in Schafstädt abgelaufen ist. Mir fällt es schwer, mich
geistig davon zu lösen, so verärgert mich diese offensichtliche Sauerei!
Dann steht das Osterfeuer nun endlich vor der Tür. Am Freitag kleine
vorbereitende Arbeiten bei bestem Wetter. Dann abends kam der Regen. Und
wie! Bis fast zum Morgengrauen schüttet es, na prima. Aber beim eigentlichen
Aufbau ist es nur noch bewölkt. Bewölkt ist sicher auch Peters Stimmung.
Liegt mit Fieber im Bett. Verurteilt, dem bunten Treiben fernzubleiben. Nach
dem nötigen Mittagsschlaf dann blauster Himmel. Was für eine Wonne. Zum
dritten Anlauf endlich das langerhoffte Wetter.
Der Abend fängt recht ruhig an. Ein Haufen Kinder tummeln sich auf der
Springburg und beim Eiersuchen. Wir (die Beteiligten wollen unerkannt
bleiben) planen, die Kids einzufangen, in ein schnell geschaffenes
TSV-Internat zu pferchen und mit einem Brandmahl für ewig an uns zu binden.
So könnten doch noch unsere Nachwuchsprobleme gelöst werden. Denken wir.
Tuen tun wir dann aber nichts dergleichen! Lieber fährt unser Osterhase ins
Kinderheim nach Weißenfels, um den Kleinen eine Freude zu machen. Super,
wirklich!!!
Dann will das Feuer nicht zünden! Wie gut, dass ich in der Nähe bin. Nach
einigen sinnlosen Versuchen mit Dickflüssigem und Reisig gehe ich zur
Attacke über. Eine Küchenrolle vom Bierwagen, getränkt mit dem schärfsten
Feuerwasser bringt die erhoffte Erleuchtung. Ich weiß halt Bescheid über das
Feuer und seine Bedürfnisse…
Zur Stoßzeit stehe ich mit sechs Leidensgenossen auf’m Bierwagen. Wir
zapfen, spülen, Kassieren und Lächeln wie die Blöden. Der Wahnsinn. Trotzdem
dauert es allen (mit Recht) zu lange, aber schneller geht’s nimmer!
Irgendwann dann ist Ruh. Wir sitzen am Feuer und schauen den Flammen zu. Um
vier (jetzt nach MESZ) schließen wir den letzten Bierstand ab und gehen zur
kurzen Ruh, denn früh um zehn müssen wir schon wieder stehn. Und viele sind
da! Keine zwei Stunden und der Festplatz hat wieder Ähnlichkeiten mit einer
Wiese.
Ich überwinde endlich meinen Frust über das Steudenspiel. Mir geht es wieder
gut…
Der 23. Spieltag, Frankleben verliert zu Hause unerwartet gegen meine
„geliebten“ Hühnerzüchter aus Steuden. Bei bestem Frühlingswetter treffen
dann Sonntag die Radiser ein. Ihr Busfahrer legt sich gleich auf die Wiese
zum schlafen. Irgendwie machen aber auch seine Spieler nicht den muntersten
Eindruck. Nach 10min intensiver Abwehrarbeit ist deren Spiellaune dermaßen
versaut, dass die Partie zum Schaulaufen für unser doch so geplagtes
Publikum wird. Nun bekommen wir alle doch unseren ersten Heimsieg in der
Rückrunde!
Ich sträube mich ja immer gegen die Wahl eines „Spieler des Tages“.
Schließlich ist es ja wirklich ein Mannschaftssport. Doch heute sticht einer
heraus: André von der Mühle. In der Abwehr packt er zu wie eh und je. Doch
im Angriff entwickelte er heute mit einer unwiderstehlichen Art und Weise
Torgefahr und Treffer.
- 12 -
Hut ab, eine tolle Entwicklung, welche unser Rößler in dieser Saison
hingelegt hat. Ich glaube auch beobachtet zu haben, wie heiß er mittlerweile
auf die Einsätze im ersten Männerteam zu sein scheint.
Am folgenden Samstag, es sind wieder fast winterliche Bedingungen, trifft
sich zum zweiten Mal die Krabbelgruppe in der Sporthalle zu Tagewerben.
Wieder so eine kleine feine Sache eines hervorragend arbeitenden Vereins!
Diesmal werden erste Rufe nach Thermoskannen mit heißem Kaffee laut. Bin
gespannt, wann diese Veranstaltung (wenn „zufällig“ einmal alle jungen Väter
versammelt sein sollten) in einen zünftigen Frühschoppen ausartet.
Dann, bei scheußlichstem Wetter fahrt ihr nach Roßlau, ich geh auf Arbeit.
Gebe mich erst gar nicht abenteuerlichen Hoffnungen hin. 20:20 Uhr kommt der
lang ersehnte Anruf. Verkündet eine knappe Niederlage. Schade, schade! Hat
Frankleben in Radis auch verloren? Ich versuche mir das Gegrüble zu
verkneifen, bringt jetzt eh nichts!
Was mir aber auffällt ist das Wetter. So schön wie es letztes Wochenende
war, als Radis geputzt wurde, umso grässlicher ist es am heutigen Tage
gewesen. Seid Ihr etwa Schönwettersportler? Motiviert der klare Feuerball am
Himmel euch zu Höchstleistungen und raubt euch all zu schlimmes Mistwetter
gar jeglichen Siegeswillen? Eine Analyse darüber wäre angebracht und könnte
bei richtiger Interpretation einen dauerhaften Aufenthalt mindestens in der
Oberliga sichern (wenn das Wetter mitspielt)…
Früh nach der Nachtschicht gleich an den Rechner, Ergebnisse gucken.
Frankleben hat auch verloren, Radis verteilt also nicht an alle Geschenke.
Der WHV war auch erfolglos. Und Roßlau ist trotz alledem noch nicht durch
mit dem geplanten Aufstieg. Gut, wir sind also nicht zum Meistermacher
mutiert!
Ach ja, Peter fragt immer wieder, wann denn nun eigentlich das Osterfeuer
stattfindet. Kann es sein, dass er irgendetwas verschlafen hat? Wir beteuern
Ihm gegenüber aber, er hätte eigentlich nichts verpasst…
Die Franklebener wollen auch keine Meistermacher sein. Sie hauen am nächsten
Samstag die Roßlauer weg, na prima! Mit diesem Wissen reisen wir in die
Geiseltalhalle. Trotzdem sind wieder jede Menge Zuschauer und eine top
motivierte Klaaßen-Sieben da. Und wieder die alte Tugend: Spiel dominieren,
aber kurz vor Schluss noch den Ausgleich fangen! Das lieben wir alle so an
euch. Ich bin nicht der Einzige welcher kurz vorm Herzkasper steht. Zum
Glück lassen sich die Köthener vom allgemeinen Stress (bestens gesteuert von
zwei ach so schwachen Schiris) anstecken und verpassen so den möglichen
Sieg. Doch unsere Truppe kämpft bis zum Umfallen, dass meine ich so wie’s
hier geschrieben steht! Dem Daniel Kühling ist schlecht nach dem Spiel und
Sebbi hängt in der Kneipe noch so richtig durch.
Eine kleine Premiere durften wir alle noch bewundern: die Inge setzte zum
ersten Sprungwurf seiner Karriere an und das sogar erfolgreich!
Nach dem Match kam ein Köthener Spieler zu mir und zeigte sich schwer
beeindruckt von der Stimmung, welche einmal mehr in der Halle herrschte. Da
habt Ihr euch echt was erarbeitet!
Ich bin jedenfalls auch richtig platt. Da ist es nicht verwunderlich, dass
ich mal eben so fünf Mollen im Deutschen Kaiser weggulgere. Der Stress macht
richtig Durst, aber auch glücklich. Auch das Wissen, es geschafft zu haben,
gibt mir eine gewisse Genugtuung. Geschafft für mich, denn das war mein
letztes komplettes Saisonspiel an dem ich teilhaben durfte. Ihr wollt da
noch ein bisschen mehr. Träumt immer noch vom Klassenerhalt. Ich drücke euch
jedenfalls ganz dicke die Daumen und übrigens, das Wetter wird bombig…
Am Morgen danach weckt mich meine Frau mit einer kleinen Nettigkeit. Ich
bekomme meinen Kaffee zum ersten Mal in meiner TSV Tasse serviert. Da fängt
die neue Woche ja gleich richtig gut an.
Auch einen guten Start in die neue Woche erwischen Sandy & Tommel. Ihr neuer
Pascal wird die Routine erst einmal gewaltig auf den Kopf stellen. Trotzdem
viel Spaß…
- 13 -
Donnerstag fällt die Spielersitzung flach. Wollte eigentlich auch nicht
hingehen, war zu müde. Doch die Information, Tommel gibt in der
Milchviehanlage einen auf seinen Stammhalter aus, mobilisiert meine letzten
Reserven. Ab aufs Rad und hin. 21:30 Uhr treffe ich dort halb erfroren ein,
saukalt da draußen! Alle sind schon ordentlich im Tee, stelle ich als erstes
fest. Es gibt viel zu viele Kümmerlinge und zu wenige Zigaretten, meine
zweite Feststellung. Wird trotzdem ein Bombenabend, der Heimweg zur Tortur,
merke ich dann am eigenen Leib. Der Winter scheint zurück, denk ich noch und
sinke ins wärmende Federbett.
Beim beschwerlichen Aufstehen am nächsten Mittag wärmt die Sonne. Sonne auch
heute am Samstagnachmittag. Bin gerade von einer Radtour mit Frau und großem
Sohn zurück und denke an euch. Ihr seid in Wolfen, die erste Halbzeit dürfte
vorbei sein. Wie mag es stehen? So viele Hoffnungen stecken in diesem Spiel.
Ihr habt euch am Donnerstag alle noch einmal richtig heiß darauf gemacht.
Hat mir sehr gefallen.
Was mir nicht gefällt, ist die Ohnmacht, mit welcher ich hier auf meine
Tastatur einhämmere, ohne den blassesten Schimmer, was ihr da draußen gerade
so treibt. Doch nicht so toll, mit der Saison schon fertig zu sein, obwohl
diese noch nicht beendet ist. Man kommt halt gedanklich nicht von euch los!
Ist das nun ein Fluch oder ein Segen?
Samstagabend rufe ich Gisbert an, da im Netz immer noch kein Spielergebnis
zu finden ist. Dass ihr verloren habt, gerät total zur Nebensächlichkeit!
Mich erreicht die Meldung von einem Horrorunfall Ausgangs des Dorfes in
Richtung B 91. Ein vielen uns Bekannter verunglückte vormittags dort
tödlich. Geschissen auf den Abstieg, so ein Ereignis rückt die Wertigkeit
eines Lebens brutal ins rechte Licht. Mehr fällt mir dazu nicht ein, ich bin
total geschockt!
Am nächsten Morgen fahre ich in der Früh auf Schicht und sehe das
Kerzenlicht am Fahrbahnrand. Tut richtig weh. Auf dem Heimweg abends sehe
ich fünf Graureiher auf dem Feld am Hagebaumarkt. Was für ein
stimmungsvolles Bild!
Letzter Spieltag. Für die Fans wird ein Kuchenbuffet vom Feinsten
aufgefahren. Leider sind heute wenige da, bei dem Wetter nicht
verwunderlich.
Tommel und Mirco werden verabschiedet. Beiden sieht man an, dass sie von der
Herzlichkeit überwältigt sind. Es tut auch mir sehr leid. Verlassen uns
nicht nur tolle Handballer, sondern vor allem lieb gewonnene Menschen!
Im Spiel kommen wir anfangs schnell unter die Räder. Die Wittenberger sind
technisch stark und sehr flink. Dann fängt einer an den Gästen auf die
Finger zu klopfen. Peter gibt vor, wozu seine Truppe fähig ist. Er zieht das
Spiel an sich, führt und dirigiert. Dem kann sich keiner entziehen und recht
bald kämpft die gesamte Mannschaft wie besessen um jeden Ball. Das bringt
uns zurück in die Partie.
Plötzlich und völlig unerwartet gehen dem kleineren aber umso breiteren
Schiri die Pferde durch. Alles was sich um ihn herum bewegt wird verwarnt
oder abgestraft. Leider befindet sich dieser Zwerg gerade mitten zwischen
euch Wohlgewachsenen. Selbst Mirco muss dadurch zwei Minuten pausieren. Das
darf der eigentlich gar nicht, der Schiri!
Zur Pause (bei Kaffee & Kuchen) sind wir wenig amüsiert. Wir fragen uns, ob
dieser „Mann“ irgendetwas zu kompensieren versucht.
Danach muss ich alsbald auf Schicht. Mir ist der Ausgang des Matches dann
doch egal, weil ich sehe, dass ihr wirklich versucht, den Fans etwas zu
bieten. Ihr habt zum Saisonende hin wieder richtig gekämpft und gut
gespielt, die Moral war intakt. Das haben die Fans bemerkt. Ihr habt es
durchaus geschafft, die Zuschauer zu begeistern und selbst der Abstieg geht
dadurch in Ordnung. Ihr seid eurem Gegnern nicht hinterher getapst, sondern
habt immer gebissen und nie aufgegeben. Das hat uns überzeugt, Ihr gabt Euch
nicht freiwillig geschlagen. Und so wurde jetzt schon eine gute
Ausgangsposition für die nächste Saison geschaffen!
- 14 -
Ich als Fan bin definitiv nicht enttäuscht. Das klingt sicher komisch. Aber,
was hier halt auch zählt ist die Gemeinschaft! Nicht nur das Feiern, wie
heute nach dem Spiel zu Recht geschehen. Auch Tiefschläge lassen sich
einfach besser verarbeiten. Und dass hier einiges anders ist, macht Euch so
einzigartig!
So genug palavert, machen wir uns jetzt endlich alle einen schönen Sommer!
Ich habe fertig, Holger
10. September 2004 – 01. Mai 2005
Nachtrag:
Tcha, gegessen die Saison. So dachte ich. Und so beendete
ich mein Tagebuch. Ein Text ohne richtiges habby end. Ich meine, wir haben
viel erlebt, es war aufregend, es war schön. Aber auch manchmal sehr sehr
schade.
Doch dann die Chance der Relegation. War die Saison doch eigentlich lang
genug um zu wissen, wo wir nun wirklich stehen. Müssen wir uns wieder diesem
Stress aussetzen?
Wieder fängt es in meinen Kopf an zu grummeln und zu brummen, bekomme meinen
Geist wieder nicht frei von Euch. Schnell kam dann aber der Entschluss mit
nach Borne zu fahren. Man bemerkte ja sehr schnell den absoluten Willen bei
Euch, diese Gelegenheit doch beim Schopfe packen zu wollen.
Im Vorfeld wurde schnell beschlossen einen Reisebus anzumieten, welcher
Mannschaft und hoffentlich einige Fans zum Hinspiel bringen würde. Am
Mittwoch kümmerte ich mich um meine Mitfahrgelegenheit und musste erfahren,
dass ich Insasse 64 wäre. Nach kurzer Panik konnte ich aber schnell beruhigt
werden. Es fahren noch Kleintransporter, alle kommen mit!
Als dann am Sonntag vor des Gegners Sportstätte drei rot-weiße Busse
einbogen, war leichte Betroffenheit in den Gesichtern unserer Kontrahenten
zu erkennen. Die Türen öffneten sich, dem Ronny Steitmann mit Pauke und
Gesang folgte seine Armada von Mitstreitern und besetzten sofort die Halle.
Somit begann eine zweistündige Gesangs-, Sirenen-, Klatsch-, Pauken- und
Jubelorgie. Ob so etwas dieses Parkett schon einmal erlebt hat, darf
durchaus bezweifelt werden.
Bei aller Euphorie und der überzeugenden Einstellung unserer Mannschaft war
ich dennoch aufgeregt. Naja, das ist sicher etwas untertrieben. Fix und alle
müsste man wohl sagen. Innerlich ohrfeigte ich mich dafür mehrmals. Könnte
ich doch im Garten sitzen, gemütlich Käffchen schlürfen und Kinder knuddeln.
Auch ein ausgedehnter Spaziergang mit meinen Hunden kam mir sehr
erstrebenswert vor. Oder einfach einmal so richtig abhängen, ganz ohne
Stress und Sorgen!
Ob es nun zu warm in der Halle war oder warum auch immer, jedenfalls verlies
mich unglaublich schnell der 24 Stundenschutz meines Deos. Dies
verunsicherte mich natürlich noch mehr. Glücklicherweise bemerkte ich
ähnliche Probleme äußerst deutlich auch bei anderen Mitgereisten.
Dann endlich beginnt die Partie, wir führen schnell 3:0 und bleiben auch
immer am Drücker. Ronny & sein Anhang trommeln…
Tommel hat das Kommando in der Abwehr. Mit großem Einsatz hebt er seine
Mitspieler auf sein eigenes Level, ich bin begeistert. Ronny & Anhang
singen…
Die Inge wird sofort hart ran genommen, hat denn da jemand gepetzt? Trotzdem
wird er mit erstklassigen Pässen von Sebbi gefüttert. Bemerke ab und an eine
Siegerfaust, welche ich gen Himmel strecke. Ronny & Anhang tanzen…
Nico ist endlich auch wieder mit von der Partie. Ballert aus der zweiten
Reihe was das Zeug hält. Auch schöne Zusammenspiele mit Sebbi und André auf
Linksaußen erfreuen mich. Selbst von zwei vergebenen Großchancen lässt er
sich nicht aus der Ruhe bringen. Ronny & Anhang jubeln…
Eben dieser André hält jeden Ball fest, hängt an seinen Gegner wie ein
Kettenhund an der Wade eines Räubers. Zusammen mit Sebbi wird auch der
Kreisspieler matt gesetzt, eine Freude das! Ronny & Anhang pauken weiter…
Uhle kommt im Wechsel mit Sebbi auch immer wieder zum Zug und überzeugt auf
ganzer Linie. Mut zum Torschuss, grandiose Treffer, hoher Einsatz und auch
läuferisch absolut überzeugend! Sirenen erfüllen das Halleninnere…
Dann ist Pause, wir haben alle ein gutes Gefühl. Was unsere Männer da auf
das Parkett legen, überzeugt uns. Auch ist großes Händeschütteln und
Abdrücken angesagt. Alex Enke ist da, obwohl er gerade Papa geworden ist.
Seine Freundin schenkte ihm eine kleine Mia Emily. Alles Gute dem neuen
Glück!
Als die Trommeln wieder dröhnen, geht’s weiter…
Jetzt schlägt die Stunde unserer rechten Achse. Kevin und Peter laufen zur
Höchstform auf. Nun schwappt, ausgehend von Ronny & Anhang, eine Welle der
Begeisterung durch die Halle. Das Heimpublikum ist nicht mehr zu hören…
Daniel Kühling zieht die Fäden, setzt seine Mitstreiter bestens in Szene.
Der Micke gelingen herrliche Tore von Rechtsaußen und setzt auch den
Schlusspunkt in dieser unglaublichen Partie. Ronny & Anhang sind nicht mehr
zu halten…
Tristan schaut nach dem Spiel nicht ganz so zufrieden drein, kam er doch
kaum zum Zuge. Ich bin mir aber sicher, dass die Sicherheit, einen zweiten
starken Mann im Rücken zu wissen, Mirco wieder zu Großtaten verhalf.
Alle haben alles gegeben, wir haben den Sieg nicht geschenkt bekommen. Nach
einer ausgiebigen Gesangsstunde vor den einheimischen Fans geht’s glücklich
nach Hause. Der Bus mit Ronny & Anhang kommt erst spät am Deutschen Kaiser
an. Dafür aber umso heftiger. Sie quellen aus dem Fahrzeug und hauen noch
einmal richtig auf die Pauke. Mir geht es inzwischen auch richtig gut, ich
bereue absolut nichts. Die Kinder sehe ich morgen, doch erst kommt das Bett.
In mir dröhnen noch die Trommeln und Lieder, dann trägt es mich weg…
Und so folgt eine recht entspannte Woche vor dem Rückspiel in Braunspedra.
Im Prinzip war die Sache gegessen. Was mich mehr beschäftigte war die Frage,
ob unser Gegner den Mumm haben würde, hier aufzulaufen. Jetzt wollten wir
alle auf einmal nicht genug kriegen. Und was hier los sein würde, darauf
freute sich doch jeder!
Ganz heimlich, tief in mir drinnen war aber auch so etwas wie bedauern zu
spüren. Hätten wir bei Borne doch nur ein knappes Ergebnis erreicht, egal ob
Sieg, Niederlage oder gar ein Unentschieden, was wäre das für eine Woche
geworden. Meine Nerven hätten blank gelegen, ich wäre kaum zu einer
ordentlichen Handlung in diesem Zeitraum fähig gewesen. Mich hätte man
sicher aus dem Verkehr ziehen müssen, um schlimmeres zu vermeiden!
Sonntag dann endlich das Rückspiel. So ruhig wie noch nie schaue ich unseren
Akteuren zu. Eine starke erste Halbzeit bringt alles in trockene Tücher. Mit
zehn Toren Vorsprung (nun schon 2 Punkte & 23 Tore incl. Hinspiel) sind wir
durch, die Klasse ist gehalten. Gehalten – das Stichwort. Der Fisch (heißt
so, weil er nach eigener Aussage Schuppen hat und auch so riecht) macht ein
super Spiel, glänzt mit vielen Paraden.
Die zweite Spielhälfte bringt dann etwas Ernüchterung. Aber woher sollen die
Männer auch noch Motivation schöpfen wenn alles erledigt ist und unsere
Gäste jetzt überhart agieren. Die Fans feiern auf jeden Fall einen
verdienten Erfolg und eine endlich wieder sehr schön anzuschauende
Klaaßentruppe!
Die Hysterie danach bei Wolli hält sich dann aber in Grenzen, hatten wir
unser Pulver doch schon letzten Sonntag verschossen!
Alles im allen ist jeder glücklich mit dem Ausgang dieser langen Spielzeit.
Ihr habt den härteren Weg gewählt, lasst dafür sogar einige Derbys sausen.
Zum Abschluss setzten wir alle zusammen einen echten Hammerschlag, welcher
uns aus dem lethargischen Bewusstsein des Abstieges herausriss und für jede
Menge Motivation und Gesprächsstoff sorgen wird. Wäre die Saison anders
beendet worden, egal ob Abstieg oder Klassenerhalt auf normalem Wege, so
würde die kommende Spielzeit ohne diese Erinnerungen beginnen. Ob das
motivierend wäre, möchte ich bezweifeln.
Denkt also daran, gerade wenn es einmal nicht so läuft, zu welchen
Leistungen Ihr mit Euren Fans imstande sein könnt.
Nun aber einen schönen Sommer, Holger
PS:
Ich möchte hiermit unbedingt erklären, dass sämtliche obigen Zeilen auf
meinen eigenen Mist gewachsen sind. Der Verein kann nun rein gar nichts
dafür. Auch wollte ich niemals irgendeiner zwangsläufig beteiligten Person
zu nahe treten oder gar beleidigen!
Sollte dennoch unerwartet einmal eine kritische Textstelle auftauchen, bitte
ich doch bitte diese so zu konsumieren, wie sie entstanden ist: mit einem
Augenzwinkern!
Schnolger |